Vielerorts finden sich auf der Insel besondere Steine: Relikte des Mittelalters, Megalithgräber oder Opfer- und Sagensteine: Was weiß man eigentlich über diese und was sagen sie über das frühe Leben auf Rügen aus? Erfahrt hier mehr!
Megalithgräber auf Rügen
Die für die Jungsteinzeit charakteristischen Großsteingräber, die in Norddeutschland ab 3500 v. Chr. gebaut wurden, sind auf Rügen nicht immer leicht auszumachen. Zum einen verstecken sie sich unter Erdhügeln, so dass sie gern mit Hügelgräbern anderer Epochen verwechselt werden oder sie befinden sich mitten auf einem Acker oder verborgen in den Wäldern abseits der Wege. Zu diesen „versteckten“ Großsteingräbern zählen unter anderem die Gräber „Hexenbusch“, „Teufelsstein“ oder die Megalithgrabanlage des „Toten Mannes“.
Hexenbusch bei Neukamp
In der Nähe von Putbus befinden sich unzählige Großsteingräber, so auch bei Neukamp nahe des Greifswalder Boddens der „Hexenbusch“. Vom Grab selbst sind noch vier Seitensteinpaare und drei in die Grabkammer eingesunkene Decksteine erhalten. Bei dem Hünengrab handelt es sich um einen trichterbecherzeitlichen, d. h. ca. 5000 Jahre alten, Großdolmen aus drei Jochen (ein Joch besteht aus zwei Tragsteinen und einem Deckstein). Großdolmen mit Windfang, dem Eingangsbereich zur Grabkammer, sind typisch für Rügen. Im Grabinnenraum konnten als Besonderheit senkrecht stehende Steinplatten, sog. Quartiere, entdeckt werden.
Der Teufelsstein bei Seelvitz
Nahe des Ortes Seelvitz befindet sich das von Erika Beltz untersuchte Hünengrab, der „Teufelsstein“. Das in einem kleinen Wäldchen verborgene Grab, das eine stark gestörte Grabkammer aufweist, gehört auch zu der Gruppe der Großdolmen mit Windfang. Auf dem Lehmboden, der wiederum auf einem Bett aus taubeneigroßen Feuersteinkieseln lag, konnten Quartiere festgestellt werden. Nur wenige jungsteinzeitliche Funde, wie zwei Handmühlsteine, etwas Keramik und eine Bernsteinperle, wurde aus der Grabkammer geborgen. Als Schwellenstein wurde eine Schleifplatte aus Sandstein verwendet. Als weitere Besonderheit konnten auf der Oberfläche des Schlusssteins drei angebrachte Schälchen entdeckt werden.
Jungsteinzeit-Grab bei Binz
Eine ganz besondere jungsteinzeitliche Nekropole befindet sich im Forst Prora bei Binz. Nur wenigen Einheimischen ist diese einmalige Anlage in der Gemarkung Lubkow bekannt, u.a. wegen der Lage mitten im Wald und der Erreichbarkeit nur zu Fuß. Die Nekropole, die auch als der „Tote Mann“ bezeichnet wird, liegt inmitten eines ehemaligen Sperrgebietes der NVA am Südrand der Schmalen Heide in der Naturerbefläche Prora. Die Nekropole erstreckt sich – wie in einer Reihe angeordnet – an einem Hang in ca. 20 m über NN auf einem Areal von ca. 500 x 100 m. Neben den Großdolmen kommen beim „Toten Mann“ auch erweiterte Dolmen mit nur zwei Jochen und ein Urdolmen mit nur einem Deckstein vor. Bei dem Urdolmen handelt es sich anscheinend nicht nur um die älteste Grabanlage der Nekropole, sondern auch um das bisher älteste Grab von Rügen.
Bildsteine
Insgesamt kommen in Vorpommern zwei slawische Bildsteine vor. Jeder für sich ist ein Unikat und ein einzigartiges Zeugnis slawischer Sachkultur.
Der Svantevitstein der Pfarrkirche Altenkirchen
Beim Svantevitstein, der sich in der Waffenkammer eingemauert in der Pfarrkirche in Altenkirchen befindet, handelt es sich um einen Bildstein aus Granit, auf dem ein Mann mit Kinn- und Schnurbart im Relief erkennbar ist. Er trägt einen kaftanartigen Rock bzw. einen taillierten Mantel, Mütze und Schuhe und hält ein Trinkhorn in den Händen. Ähnlichkeiten zum vierköpfigen Gott Svantevit vom Heiligtum in der Burg am Kap Arkona sind erkennbar, insbesondere durch das Trinkhorn. Doch das abgebildete Männchen ist nicht viergesichtig, weshalb hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht Svantevit dargestellt wird. Der auch als Grabplatte angesprochene Stein wurde erst nach der Erbauung der Pfarrkirche eingemauert. Die Deutungen zum Svantevitstein gehen weit auseinander: vielleicht ist es der Grabstein von Fürst Tetzlaw, dem Bruder von Jaromar. Jaromar war vermutlich der letzte Herrscher der Tempelburg am Kap Arkona, der zum Vasallen des dänischen Königs Waldemar I. wurde und zum Christentum konvertierte. Möglicherweise ist auf dem Reliefstein auch ein slawischer Priester abgebildet. Der Svantevitstein von Altenkirchen ist auf jeden Fall der einzige der fünf Bildsteine, der keine christliche Symbolik aufweist.
Der Mönchstein der Klosterkirche Bergen
Der Mönchstein, der zweite wahrscheinlich slawische Bildstein von Rügen, ist an der äußeren Turmwestwand der Klosterkirche von Bergen eingemauert. Auf der flachen spitz nach oben zulaufenden Platte, die aus Granit besteht und 1,17 x 0,41 m misst, ist eine männliche Gestalt abgebildet. Im Mittelteil ist das Relief stark verwittert. Vermutlich war hier ein Trinkhorn abgebildet, das der Mann mit Mantel und Mütze in der Hand hielt. Bis ins 19. Jh. war auf dem sog. „Mönchstein“ ein Kreuz erkennbar, das sich in Schulterhöhe des dargestellten Mannes befand. Eine der möglichen Deutungen ist, dass es sich bei dem Stein um den Grabstein von Jaromar selbst handelt.
Haus- und Hofmarken in der Pfarrkirche Altenkirchen
In der Altenkirchener Pfarrkirche, ebenfalls in der Waffenkammer, aber auch in anderen Rügener Kirchen, wie in Bobbin oder Wiek, findet man die sogenannten Haus- und Hofmarken, hier vor allem eingeritzt im Backstein. Zu entdecken sind diese runenartigen Zeichen auch an altem Fischereizubehör, an Häusern, Höfen oder auf altem Handelsgut. Auch als Brandmarken wurden sie damals verwendet, um die Tiere auf der gemeinschaftlichen Dorfweide voneinander unterscheiden zu können. Bei den Haus- und Hofmarken handelt es sich um Eigentumszeichen, die schon im 14. Jh. urkundlich erwähnt werden, aber vermutlich noch viel älter sind. Auf Hiddensee hatten die Hausmarken noch 1976 juristischen Charakter, ansonsten verschwinden sie schon ab 1830 allmählich aus dem Gebrauch.
Haus- und Hofmarken sind hausgebunden. Sie blieben auch beim Verkauf des Hauses und bei Vererbung an Seitenlinien rechtswirksam bestehen. Nur der älteste Sohn konnte bei Vererbung das originale Zeichen weiterverwenden, die jüngeren Brüder durften die Hausmarke jedoch mit einem Zusatzstrich – einer Bimark – versehen, um sie ebenfalls nutzen zu können. Die Haus- und Hofmarken waren damals auf ganz Rügen verbreitet, heute sind sie nur noch auf Mönchgut, Hiddensee und Wittow zu finden.
Sagen über besondere Steine
Ein großes Glück für Rügen ist, dass Prof. Dr. Alfred Haas (1860 – 1950) – Historiker, Volkskundler und bedeutendster Sagensammler Vorpommerns – viele Sagen und Legenden am Ende des 19. Jh. bzw. Anfang des 20. Jh. aufgezeichnet hat. Insgesamt hat er der Nachwelt über 800 Rügener Sagen hinterlassen.
Sühnestein in Gustow
Prof. Dr. Alfred Haas erzählt von einem von einem alten Stein, einer Mordwange, in Gustow. Von Garz ca. 10 km entfernt befindet sich dieses kleine Dörfchen nahe des Strelasunds. Gustow verbirgt so einige historische Raritäten. So lässt sich nordöstlich der Backsteinkirche, die aufgrund der Wandmalereien sehr sehenswert ist, ein Sühnestein (Mordwange) von 1510 bewundern. Er ist ca. 2,50 m hoch, 0,60 m breit und bildet ein Kruzifix mit zwei Engeln ab. Links davon ist ein kniender Mann mit einem Schwert auf dem Kopf, rechts davon ein Kelch und ein Wappen mit einer runenartigen Hausmarke erkennbar. Sühnesteine wurden angeblich an der Stelle errichtet, an der ein Mord geschah. Laut Umschrift von der Steinwange soll hier der damalige Prediger Thomas Norenberg von betrunkenen Bauern erschlagen worden sein. Letztendlich ist dieser Gedenkstein ein deutlicher Beleg für die damaligen „rauen Sitten“ auf Rügen. Prof. Dr. Alfred Haas hat für den Zeitraum zwischen 1312 und 1417 allein 28 urkundlich nachgewiesene Mordtaten auf Rügen zusammengestellt.
Sagenstein am Herthasee
Am Herthasee befindet sich im Nationalpark Jasmund der sogenannte „Sagenstein“, auf dem der Legende nach Fußspuren von einem Erwachsenen, einem Kind und einem Hasen oder Hund eingedrückt sind. Die Sage berichtet über die Prüfung einer Jungfrau, die den heidnischen Göttern geopfert werden sollte. Hinter der Errichtung des „Sagensteins“ steckt jedoch ein geschäftstüchtiger Gastwirt am Königsstuhl, der vermutlich im 19. Jh. diese zusätzliche „Sehenswürdigkeit“ errichtete. Genauso verhält es sich mit dem Opferstein am Herthasee, der nur wenige Meter vom Sagenstein entfernt liegt. Hier wurden angeblich der Göttin Hertha Menschenopfer dargebracht. Das Blut, das über eine Blutrinne in einer „Blutauffangschale“ gesammelt wurde, ist noch heute auf dem Stein erkennbar. An den Blutrinnsalen soll sich niemals Moos angesetzt haben. Das einzige, was an dieser „zusätzlichen Touristenattraktion“ wirklich alt ist, ist die vermutlich in die slawische Zeit zu datierende „Blutauffangschale“, die einen zerbrochenen Mahlsteintrog darstellt.
Kurze Siedlungsgeschichte Rügens
Die Frage nach der frühesten Besiedlung Rügens ist zum derzeitigen Forschungsstand nicht geklärt. Fest steht, dass die erste menschliche Besiedlung eng mit den klimatischen und naturräumlichen Bedingungen im Pleistozän (Eiszeitalter) zusammenhängt.
Von frühen Rentierjägern
Episodische Streifzüge der Rentierjäger können zur Zeit der Hamburger Kultur, die in die ausgehende Altsteinzeit von ca. 13.700 – 12.200 v. Chr. datiert, auf Rügen angenommen werden. So konnten ab 12.700 v. Chr. Pferde- und Rentierherden sowie Elche und Riesenhirsche mit Geweihspannweiten von über 3,50 m im Sommer in die nun eisfreie Steppenlandschaft im Norden ziehen.
Konkreter wird die älteste Besiedlung Rügens in der anschließenden kurzen Erwärmungsphase, im Allerød-Interstadial (ca. 12.000 bis 10.700 v. Chr.), in der sich erste Wälder aus Birke und Kiefer auf Rügen ausbreiteten. In dieser Phase sind Einzelfunde der sog. Federmesser-Gruppen (ca. 12.000 – 10.700 v. Chr.) Zeugnisse der ersten spärlichen Spuren von Menschen auf Rügen, wozu der Fundplatz Streu (Rückenspitze) zählt. Weitere Fundplätze, die jedoch der folgenden Stielspitzen-Gruppe vom Ahrensburger Typ (Ahrensburger Kultur ca. 10.700 bis 9600 v. Chr.) zuzuweisen sind, bestehen in Venz (Harpunenbruchstücke), Bergen (Stielspitzen), Garz (bearbeitetes Rengeweih) und Stedar(Stielspitze).
Die ersten Bauern auf Rügen
Um 4100 v. Chr. vollzieht sich in Norddeutschland der Übergang zu einer neuen Wirtschaftsweise, die mit Ackerbau und Viehzucht sowie mit der Sesshaftwerdung und dem Bau von Großsteingräbern verbunden wird. Es beginnt das Neolithikum bzw. die Jungsteinzeit, die von großen Veränderungen in vielen Lebensbereichen gegenüber der vorherigen Mittelsteinzeit mit ihren nomadisch lebenden Jägern und Sammlern gekennzeichnet ist. Dazu gehören u. a. die Einführung des Hakenpfluges, die Nutzung von geschliffenen Beilen und das vermehrte Aufkommen der Keramik, die am Ende der Mittelsteinzeit in der sog. Ertebøllekultur bereits bekannt war.
Doch kann in Vorpommern-Rügen tatsächlich von einer „Neolithischen Revolution“ mit ihren charakteristischen Neuerungen gesprochen werden? Dazu gibt es widersprüchliche archäologische Befunde. So werden kaum eindeutige Hausnachweise oder Getreidereste als Indiz für den Ackerbau aufgefunden, aber auch bei Ausgrabungen häufig mehr Wildtierknochen als Haustierknochen, was für eine größtenteils noch wildbeuterisch lebende Gesellschaft spricht. Erstaunlich ist, dass die frühen Mittel- und Jungsteinzeitler auf Rügen mindestens seit dem 5. Jahrtausend v. Chr. Kontakte zu bäuerlich wirtschaftenden Kulturen im Süden hatten. Warum haben die damaligen Menschen also nicht die Annehmlichkeiten der neuen Wirtschaftsweise übernommen? Lag es daran, dass die jungsteinzeitlichen Kulturen sich nicht an die „Scholle binden“ wollten, was eine gewisse Abhängigkeit bedeutet? Oder fürchteten sie die körperlichen Strapazen des zeitaufwändigen Landbaus, der nicht vor Missernten, Hungersnöten und Mangelernährung gefeit war?
Mehr zu Rügens archäologischen Funden erfahren
Archäo Tour Rügen, Dr. Katrin Staude, bietet auf Rügen zu diversen Monumenten, wie Hünengräbern, slawischen Burgen, Hügelgräbern, aber auch zu den Sagen-, Sühne- und Opfersteinen professionelle und interaktive Wanderungen zu Fuß oder mit dem Rad an. Im Nationalpark Jasmund, im Biosphärenreservat Südost-Rügen, in den Moorbergen im Forst Prora bei Binz aber auch am Kap Arkona oder im Schlosspark Dwasieden könnt Ihr Geschichte zum Anfassen und „Begreifen“ mit Artefakten und Repliken, die selbst in die Hand genommen werden können, hautnah erleben. Neben der Archäologie und Geschichte spielen auch geologische oder botanische Besonderheiten, wie die Entstehung der Kreide oder des Feuersteins, eine wichtige Rolle.
Auf Anfrage bietet Archäo Tour Rügen auch davon abweichende Extratouren, Gutscheine zum Geburtstag oder anderen Anlässen, Schulklassenprogramme und Kindergeburtstage zu Haus mit dem Feuer machen oder der Herstellung eines Steinzeitmessers an sowie Workshops für Groß und Klein zum „Steinzeit erleben“.
Archäo Tour Rügen
Dr. Katrin Staude
Telefon: 0157 72731751
www.archaeo-tour-ruegen.de
Mehr über Rügens Geschichte
Lest mehr über Rügens mystische Funde und riesige Findlinge.
Die nächsten archäologischen Touren
Die aktuellen Termine für die archäologischen Wanderungen findet Ihr bald im Veranstaltungskalender, in der Rügen-App und auf www.archaeo-tour-ruegen.de
Gastautorin
Dr. Katrin Staude
Schon während des Archäologiestudiums entschied sich Dr. Katrin Staude zu einer Ausbildung zur Forschungstaucherin. Nach einigen spannenden Grabungsleitungen an Land und im Wasser gründete sie Archäo Tour Rügen, ein Unternehmen, das archäologisch-naturkundliche Führungen auf Rügen, Vorträge, aber auch Steinzeit-Workshops sowie Schulklassen- und Geburtstagsprogramme anbietet. Die promovierte Archäologin liebt die Natur, die und die Insel Rügen, die in ganz Norddeutschland die größte Dichte an Bodendenkmälern aufweist. Die Expertin vermittelt in ihrer Kolumne im Urlaubermagazin Urlaub à la Rügen Wissenswertes zu Rügens alten Funden.