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Rügen-Sagen und Inselgeschichten

Gastbeitrag von René Geyer

Gut gegen Böse, Verrat und Missgunst, Sieg und Fall, Naturgewalten und besondere Erscheinungen: mit solchen Erzählungen haben seit Anbeginn der Zeit die Menschen versucht, sich die Welt zu erklären. Mit knapp 800 Sagen, die der bekannte Volkskundler Prof. Dr. A. Haas Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zusammengetragen hat, gilt Rügen als eine der sagenreichsten Regionen Deutschlands! Bis heute werden diese volkstümlichen Geschichten überliefert, die wir auch Euch gern erzählen würden! Doch Vorsicht, manche Sage hat es in sich!

Erfrischende Frühlingssagen von Rügen

Die Tage werden länger, die Sonne stärker: Alles ist auf der Insel auf Frühling ausgelegt. Diese Zeit ist im Volksglauben sagenumwoben. Wie von geheimer Hand gelenkt, fängt die Vegetation wieder an zu treiben. Was sich jetzt Mystisches auf der Insel ereignet, erfahrt Ihr in folgendem Beitrag.

Nachtgespenster

© René Geyer

Diese Art von Nachtgespenst, die Mahrt, kommt zur nächtlichen Zeit durch das Schlüsselloch oder durch irgendeine Ritze ins Zimmer, um den Schlafenden heimzusuchen. Sie verkörpert nach der Meinung des Volkes nichts weiter als die Gedanken eines anderen Menschen. Die Mahrt leg sich nachts auf den schlafenden Menschen und „reitet“ ihn. Die nun folgende Sage berichtet, wie man mit so einer Erscheinung umzugehen hatte.

Einen Kutscher bei Putbus ritt alle Nacht die Mahrt, so dass er ganz elendig und hinfällig dabei wurde. Da gab ihm nun einer an, seine Hände mit grüner Seife zu bestreichen, dann werde er die Mahrt halten können, die ihm doch so zusetzte. Das tat er. Als die Mahrt wiederkam, griff er beherzt zu. Es war ein junges Mädchen. Die bat ihn nun inständig, sie doch freizulassen.

Er weigerte sich und sagte, er wolle keiner lebenden Kreatur die Qualen gönnen, die sie ihm bis dahin angetan hatte. Wenn er sie nun freilassen würde, würde sie sich anderen Menschen zuwenden. Er wolle sie auf ein gefühlloses Wesen aufweisen, das könne sie reiten in alle Ewigkeit. Da flehte aber das Mädchen, er möge sie aufweisen wohin er nur wolle, nur nicht auf Stein und nicht auf Wasser! Da ließ er sich erbitten und wies sie auf einen Eichbaum, der stand bei Neuendorf. Der Eichbaum ist seit der Zeit verkümmert und schließlich eingegangen.

Der Schatz im Silvitzer Steingrab

© René Geyer

Dieses Grabmal aus der Jungsteinzeit liegt an einem ehemaligem Wegerest, auf einem Höhenzug zwischen Silvitz und Karow.

Einer mündlichen Überlieferung zufolge ist das Grabmal bereits im 18. Jahrhundert geöffnet und sein Inhalt geraubt worden. Dabei sollen jedoch die einzelnen Steinblöcke nur wenig oder sogar überhaupt nicht aus ihrer ursprünglichen Lage gerückt worden sein. Unter diesem Grabhügel aus Stein und Erde liegt der Sage nach ein Schatz vergraben. Bis zum heutigen Tage soll es jedoch noch niemandem gelungen sein, diesen Schatz zu heben, geschweige ihn zu Gesicht bekommen zu haben.

Vor mehr als 100 Jahren versuchten zwei Bauern aus dem benachbarten Karow, diesen Schatz zu heben. Da bei solchen Hebungen eines Schatzes Stillschweigen gehalten werden muss, machten sie sich wortlos ans Werk und gruben bis sie auf einen silbernen Sarg stießen. Nun war dieser Sarg so schwer, dass sie ihn mit der Kraft ihrer Arme nicht aus der Grube heben konnten. Die Bauern verständigten sich durch Zeichen und Gesten, dass sie Hebel und Stricke anwenden wollten. Als diese Dinge herangeschafft waren, schienen ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sein. Als sie zogen und der silberne Sarg mehr und mehr an die Erdoberfläche kam, rief einer der Bauern seinem Nachbar zu: „Korl, holl fast! Nu kümmt de“ (Karl, halt fest! Nun kommt er). Im selben Augenblick aber, als die Worte gesprochen waren, versank der schwere silberne Sarg wieder in der Tiefe. So konnte auch dieses Mal der Schatz nicht gehoben werden und liegt wohl bis zum heutigen Tage in der Tiefe des Grabes.

Das Grabmal als kulturhistorischer Schatz

Die Grabkammer steht – wie alle sogenannten „Bodendenkmäler“ – unter besonderen Schutz. Dort oben von der Höhe bietet sich dem Besucher des Grabes ein schöner Blick nach Bergen sowie in Richtung Kleiner Jasmunder Bodden. Unsere Vorfahren haben wohl ganz bewusst diesen Ort gewählt, als sie dieses Grab schufen.

Der Hexensabbat bei Trent

Im Sagenkreis über sogenannte Hexen und über die Zauberei berichtet die Rügensche Sage um die besondere Zeit des Frühlingsanfanges, insbesondere der Walpurgisnacht.

Darüber berichtet diese Sage in Trent: Ein Mann ging in der Walpurgisnacht durch einen Wald. Er hatte sich aber verirrt und war an einer lichten Stelle im Walde angelangt. An dieser Stelle jedoch sah er nun ein grausames Getümmel. Etliche Katzen, Ziegenböcke und auch große Hunde balgten lautstark miteinander.

Als diese Meute nun den Mann erblickte, riefen alle aus Leibeskräften: „Du sollst uns zu unserem Tanze blasen!“ Er musste es sich gefallen lassen. Man reichte ihm ein Blashorn und er musste tüchtig blasen bis ihm schwindelig wurde. Um ein Uhr waren plötzlich alle verschwunden. Als sich der Wanderer nun sein Blashorn besah, da war es eine tote Katze, welcher er die Gedärme aus dem Leibe gesogen hatte.

Hexenplatz in Putbus

Eine weitere Sage um die Walpurgisnacht wird bei Putbus erzählt: Im fürstlichen Park zu Putbus gibt es eine Stelle, welche vom Volk als Hexenplatz bezeichnet wurde. Sie liegt an dem Verbindungsweg zwischen dem fürstlichen Schauspielhaus und der Kirche. Dort erblickt man einen großen Haufen sogenannter „Wendenmühlen“, also vorgeschichtliche Mühlsteine, welche nach Meinung des Volkes alte Opfersteine sein sollen.

Auf diesem Hexenplatz sollen nun die Hexen in der Walpurgisnacht ihre Versammlung abhalten. Desgleichen erzählen sich die Leute, dass dort ein schauerlicher Spuk zur Nachtzeit umgeht mit schauerlichem und jämmerlichem Geschrei. Wer dort in dieser Nacht vorbeigeht, dem werde der größte Schrecken seines Lebens widerfahren. 

Die verzauberte Prinzessin von Seedorf

Der Volksmund nennt ihn „den weißen Berg“. Er befindet sich in der Nähe von Seedorf, dort vor der Lankener Bek. Nun, seit vielen hundert Jahren wohnt dort eine verzauberte Prinzessin, deren Namen man jedoch nicht mehr weiß.

In jeder Johannisnacht, so zwischen 12 und 1 Uhr, öffnet sich der Berg und die Prinzessin kommt mit einem Wagen und ihrem ganzen Gefolge aus dem Berg in das nahegelegene Dorf. Von dort kehrt sie stets kurz vor 1 Uhr zurück. Die Prinzessin und ihr Gefolge können erlöst werden, wenn jemand den Mut aufbringt, den Pferden beim feierlichen Umzug in die Zügel zu fallen.

Der heilige Georg von Wittow

Sagenhaft ist auch die Halbinsel Wittow, denn es gibt dort keine Maulwürfe. Und das kam so:  In der Kirche zu Wiek auf Wittow befindet sich ein wohlerhaltenes Holzbild des heiligen Georg, der auf dem Pferd darstellt wurde. Vor vielen Jahren soll eine mächtige Maulwurfplage geherrscht haben. Ganz Wittow wurde verwüstet und die Bewohner der Halbinsel hatten arg darunter zu leiden. Der heilige Georg befreite diesen Teil der Insel Rügen von den Plagegeistern. Sein Bannspruch ist derartig wirksam, dass es bis auf den heutigen Tag keine Maulwürfe auf Wittow gibt.

Spuk ums Herzogsgrab bei Baabe

Im Walde zwischen Baabe und Middelhagen, nicht unweit von der Duchtenkoppel, liegt das steinzeitliche Grab, welches im Volksmunde „das Herzogsgrab“ genannt wird. In der Umgebung dieses Herzogsgrabs soll es nicht ganz geheuer sein. Wer in einer Neumondnacht zur Geisterstunde dorthin geht, der sieht ein bläulich weißes Licht flimmern und gleißen, das aus der Steinkiste erscheint. Wer dieses Licht sieht, so erzählt man sich, sollte wortlos und, ohne sich umzudrehen, an dem Grabe vorübergehen. Ansonsten, so wird vermutet, kann einem sehr Schreckliches und Fürchterliches geschehen. Andere, die dort vorübergegangen sind, berichteten, sie hätten Gespenster in langwallenden Gewändern, aber auch spukhafte Tiere am Herzogsgrabe erblickt.

Mutige Herrscher am Königsstuhl

Der Königsstuhl, eines der Wahrzeichen der Insel Rügen, gehört natürlich auch zu den sagenhaftesten Orten der Insel. Von ihm wird erzählt, dass in alter Zeit den Königen der Insel auf dem Königsstuhl gehuldigt worden sei. Dazu sollen die Könige auf einem hohen, aus Erde bestehenden Stuhl gesessen haben. Als die Rüganer ihren König selbst wählten, sollte der Tapferste und Kühnste König werden. Darauf beruht die alte, aber noch von vielen geglaubte Überlieferung, dass künftig derjenige König wird, der den Mut hat, den Königsstuhl von der Seeseite her zu besteigen. 

Mystik am Mönchsgraben

© René Geyer

Nördlich von Baabe befindet sich der etwa 1,5 km von Ost nach West verlaufende Mönchsgraben, ein Befestigungswerk aus Wall und Graben. Dieser Graben ist eng verbunden mit der Entstehungsgeschichte des Mönchgutes. Das Mönchgut ist ein wunderschöner Teil Rügens und öffnet seinen Reiz jedem, der sich für Kultur- und Naturlandschaft interessiert. An diesem Graben sind gleich mehrere Sagen lokalisiert.

Es soll sich am Mönchsgraben und an der den Mönchsgraben kreuzenden Landstraße ein gespenstischer Reiter mit einem Hund aufhalten. Der Reiter, so sagen die Leute, trägt eine Uniform und soll wie ein Major oder Wachtmeister aussehen. Sein Pferd, ein stolzer Schimmel, ist ganz mit Schaum bedeckt. Sein Riemenzeug glitzert und glänzt, wie mit Silber beschlagen, aber die Steigbügel scheinen ganz aus Gold zu sein. Von seiner Kandare trieft in weißen Flocken der Schaum herab. Zuletzt soll der Reiter einem Fischer begegnet sein und zwar im Jahre 1868. Die Begegnung war ihm unheimlich. Die Haare standen ihm zu Berge und er wusste nicht, ob er weitergehen oder zurückkehren sollte. Er ging weiter und als der Fischer am Mönchsgraben angelangt war, verschwand, wie auf wundersame Weise, der Reiter bei den Hünengräbern. Der Fischer berichtete den Fischern im Dorf von seiner morgendliche Begegnung. Die meinten nur, er hätte geschwind ein Tuch nehmen müssen und den Schaum vom Pferde abwischen sollen. „Du hättest einen Haufen Gold- und Silbermünzen dafür erhalten!“

Der kopflose Reiter bei Baabe

Beim sogenannten Spuckbusch, einem kleinen Gehölz hinter dem Baaber Bahnhof, soll zuweilen ein kopfloser Reiter auf einem Schimmel erscheinen. Wer ihn antrifft, solle sich nicht weiter wundern. Der Reiter begleitet den Wanderer und hält immer mit ihm Schritt. Beim Mönchsgraben angelangt verschwindet der Reiter so plötzlich wie er erschienen war.

Schlangenplage am Mönchsgraben

Dereinst herrschte eine Schlangenplage auf Mönchgut. Ein Flötenbläser am Mönchsgraben soll auf wundersame Weise alle Schlangen der Halbinsel im Südosten von Rügen angelockt und in ein großes Loch am Mönchsgraben gebannt haben. Zuallerletzt kam jedoch eine große Schlange mit einer goldenen Krone auf dem Haupt. Die soll ihn umschlugen und mit in die Grube gezogen haben.

Die Prinzessin Svanvithe und der Königsschatz im Garzer Wallberg

Prinzessin Svanvithe, die schöne Tochter des zu Bergen wohnenden Königs von Rügen, wird von einem ihrer Freier verleumdet und danach von dem eigenen Vater ins Gefängnis geworfen. Um ihre Unschuld zu beweisen, beschließt sie, den herrlichen Königsschatz in dem Garzer Wallberg zu bergen, der nur von einer Prinzessin gehoben werden kann, die von jenen alten Königen herstammt und noch eine reine Jungfrau ist.

In der Johannesnacht steigt sie mit einer Wünschelrute in ihrer Hand auf den Wall und gelangt in den mit Schätzen gefüllten unterirdischen Saal. Als sie dann aber, mit Schätzen schwer beladen, auf die Oberwelt zurückkehren will, blickt sie sich um und sieht einen großen schwarzen Hund mit schaurig feurigem Rachen und funkelnden Augen auf sich losspringen. Da ruft sie: „Oh Herrje!“ und in demselben Augenblick schlägt die schwere Tür zu und die Prinzessin muss nun in dem unterirdischen Gemach bleiben.

Diese Prinzessin kann erlöst werden, wenn einer zu ihr hinabsteigt und sie stillschweigend an der Hand wegzuführt. Die Erlösung wurde schon öfter versucht, zuletzt vor 20 Jahren von einem Schuhmachergesellen, der Joachim Fritz hieß. Bisher ist es jedoch niemandem gelungen.

Das Schloss am Schwarzen See

© René Geyer

In einer anderen Ecke Rügens berichtet die Volkssage von einem Schloss. Es befindet sich im schwarzen See in der Granitz. Dort wo heute der Schwarze See liegt, soll einst ein prächtiges Schloss gestanden haben. Aber auf wundersame Weise ist dieses Schloss mitsamt seinen Bewohnern in dem See versunken. Eines Morgens soll der Schlossherr zur Jagd geritten sein. Als er am Abend wieder nach Hause geritten kam, fand er anstelle des Schlosses nur noch den in stiller Ruh liegenden See vor. Am Ufer des Sees sah er noch einen Stuhl, auf dem seine Jagdhandschuhe lagen, die er beim Aufbruch zur Jagd vergessen hatte. Jetzt erinnerte er sich dessen und griff unwillkürlich zu den beiden Handschuhen. Kaum hatte er sie aber ergriffen, sank auch der Stuhl in die Tiefe des Sees.

Hätte er statt der Handschuhe den Stuhl ergriffen, so wäre das ganze Schloss mit all seinen Bewohnern wieder an die Oberfläche gekommen und wäre erlöst gewesen.

Das Schloss kann auch jetzt noch erlöst werden: Wenn sich der Tag jährt an dem das Schloss einst versunken ist, so kommt es an die Oberfläche des Wassers heraus. Wenn jemand den Mut aufbringt, über das Wasser hinzuschreiten und in das Schloss einzutreten, so ist es erlöst.

Derjenige braucht auch keine Angst zu haben, dass er versinkt. Denn das Wasser hat an diesem Tag die Kraft, dass es den Erlöser des Schlosses trägt und an der Oberfläche hält. Man weiß aber bis heute nicht, wann dieser Tag im Jahre sich jährt und deshalb ist es bis heute keinem gelungen, das Schloss zu erlösen und dazu noch selbst Schlossherr zu werden.

In der Neujahrsnacht kann man den Jubel der Schlossbewohner aus der Tiefe des Wassers heraufschallen hören, denn sie sind dann zuweilen so laut, dass der ganze Wald davon widerhallt.

Vom Findling „Buskam“ bei Göhren

© René Geyer

Auf Mönchgut wird über den größten Stein von Rügen, „den Buskam“ folgendes berichtet:

Einige hundert Meter vor dem Nordstrand von Göhren liegt er im Meer, der gewaltige Felsblock „Buskam“ oder auch Gottesstein. Früher sind die Mönchguter – und manche tun es auch heute noch – am Hochzeitstag mit ihren Gästen zum Buskam hinausgefahren, um auf ihm dann ausgelassen zu tanzen. Um die Sommersonnenwende hingegen erscheinen um die Mittagsstunde vor der Küste Mönchguts seltsame Wesen: Es sind Seejungfern. Ihr Oberkörper gleicht einer Menschengestalt, während ihr Unterleib in einem sehr langen Fischschwanz ausläuft. Sie haben Schüsseln mit den köstlichsten Speisen in ihren Händen und sitzen auf dem Rande des Buskam, wo sie ein Festmahl halten. Nach dem Essen tanzen und singen sie in ausgelassener Runde. Diese Wesen können aber nur wenige Menschen sehen und zwar nur solche, die zur Sommersonnenwende zu dieser Stunde geboren wurden. Aber zum Glück sind das nur sehr wenige. Denn, wenn sie von den Seejungfern einmal bemerkt werden, sind sie ihnen verfallen und werden von ihnen in zauberhafter Gewalt in die Tiefe der Ostsee gezogen.

Von den „Ziegensteinen“ bei Stresow

Die Leute, die in der Nähe von Burtevitz und Stresow wohnen, berichten über einen Spuk des nachts zwischen 12 und 1 Uhr bei den Ziegensteinen. Man berichtet von lautem Schwertgeklirr und Schlachtrufen. Es seien Geister, die einst im Kampf bei den Ziegensteinen gefallen sind und die allnächtlich ihren Kampf erneuern. Auch soll bei den Ziegensteinen ein sehr mächtiger Riese mit einem auffallend großen Kopf umherwanken. Er geht dann jedem Wanderer, der sich zu dem Zeitpunkt dort aufhält, entgegen, begleitet diesen eine Strecke weit. Bei den Ziegensteinen taucht er gewöhnlich auf und hier verschwindet er nachher auch wieder.

Der Riese am Sund

Auf der Insel Rügen sind fast überall in der Landschaft mächtige steinzeitliche und bronzezeitliche Grabanlagen zu entdecken. Sie sind so manches Mal landschaftsprägend und fallen sofort ins Auge. Viele der Anlagen sind mit Riesensagen verknüpft, weil man sich deren Herstellung als das Werk mächtiger Riesen erklärte.

Folgende Sagen berichten von solchen Grabanlagen: Die Neun Berge bei Rambin: Im Südwesten der Insel, nicht weit vom Kirchdorf Rambin liegen auf flachem, leicht erhöhtem Feld neun Hügelgräber, welche gewöhnlich die „Neun Berge“ genannt werden. Diese Hügel sollen durch die Kühnheit eines Riesen entstanden sein. Dieser lebte auf Rügen und trug den Namen Balderich. Diesen verdross es, dass das Land eine Insel war und dass er immer durch das Meer waten musste, wenn er zum Pommerschen Festland wollte. Daraufhin ließ er sich eine ungeheuer große Schürze anfertigen, band sie sich um seine Hüften und füllte sie mit einer riesigen Menge Erde und Steinen. Dann wollte er sich einen Erddamm auffüllen: von der Insel Rügen bis zum Festland.

Aber als er nun mit seiner Tracht bis über Rotenkirchen gekommen war, riss plötzlich ein Loch in die Schürze. Aus der herausfallenden Erde entstanden die Neun Berge. Er stopfte das Loch zu und ging sogleich weiter, aber als er bei Gustow angekommen war, riss wieder ein Loch in die Schürze und es fielen dreizehn kleine Berge heraus. Mit der übriggebliebenen Erde in der Schürze ging er dann an das Meer und goss sie hinein. So entstand der Proßnitzer Haken und die niedliche Halbinsel Drigge. Aber leider blieb ein noch schmaler Zwischenraum zwischen Rügen und Pommern, und darüber ärgerte sich nun der Riese so dermaßen, dass er plötzlich von einem Schlagfluss hinstürzte und dann verstarb.

Riesengrab bei Mukran

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© René Geyer

In der Nähe von Mukran, an einem Weg, welcher nach Dwasieden und Crampas führt, befindet sich ein Steinsatz. Dieser wurde im Volksmund „das Riesengrab“ genannt. Das Grabmal liegt genau in ost-westlicher Richtung und besteht aus vielen großen Steinen. Eine Riesin soll hier ihre beiden Riesenkinder begraben haben, die durch ihre Sorglosigkeit in der nahen See ertrunken waren. Deshalb stehen auch an dem Westende des Grabes zwei große Ecksteine, von denen der eine vor langer Zeit in der Erde versunken ist. Der andere aber, der auf der Kante steht, misst vier Ellen in der Höhe.

Die Musikanten auf dem Garzer Wallberg

© René Geyer

Im Dorfe Große Schoritz war Ornklaatsch (das ist das Erntefest). Aus Rambin hatte man mehrere Musikanten eingeladen und bestellt. Diese gingen, um den Weg ein
bisschen abzukürzen, nicht durch Garz, sondern bogen vorher an einem Fußsteig, der über den Burgwall führt, von der Straße ab. Beim Aufstieg auf den Wallberg schien ihnen die Gegend ganz und gar verändert. Um sie herum standen hohe große Bäume, durch die sich auch noch dichtes Gebüsch zog.
Schließlich dehnte sich sogar noch ein herrlicher Garten vor ihnen aus mit vielen seltsam leuchtenden, bunten Blumen und schattigen Laubengängen, mit dunklen geheimnisvollen Grotten, sprudelnden Quellen und Springbrunnen. Sie konnten sich an dieser Herrlichkeit gar nicht sattsehen. Wie in einem Traum gingen sie umher. Nur flüsternd gingen sie und betrachteten die Schönheiten der Gegend. Bei Sonnenuntergang erreichten sie endlich das Ende des Gartens. Nun beeilten sie sich, um noch bis Groß Schoritz zu kommen. Doch dort angekommen erregten sie sehr große Verwunderung. War doch ein ganzes Jahr vergangen, seitdem sie zu Ornklaatsch aufspielen sollten. Niemand wusste, wo sie in der Zwischenzeit geblieben waren. Es half alles nichts: Die Musikanten mussten einsehen, dass sie in dem wunderschönen Garten auf dem Wallberg ein volles Jahr verbracht hatten und dabei weder Hunger noch Durst verspürten. Vielmehr kamen sie so frisch und munter heraus, wie sie auch hineingegangen waren. Nun konnten sie gleich im Dorfe bleiben, am Abend war ja wieder Tanz zum Ornklaatsch.

Dunkle Rügen-Sagen für laue Sommertage

Ob Zwerge, Nymphen oder Riesen: Überall auf Rügen sollen sich magische Wesen sehen lassen. Was es für eine Bewandtnis mit ihnen hat, das kann keiner so genau berichten. Mit sagenhaften Geschichten hat man versucht sich den Spuk zu erklären – von Generation zu Generation. Diese erzählt man sich noch heute.  

Das Sparei

© René Geyer

Wenn ein Hahn sieben Jahre alt geworden ist, legt er selbst ein Ei, welches so groß wie ein Taubenei ist und im Volksmunde Sparei genannt wird. Wenn man sich nun solch ein Sparei in seine Achselhöhle legt und es dort eine Zeit aufbewahrt, ohne dass man inzwischen auch nur ein Sterbenswörtchen spricht oder auch nur ein bisschen lacht, so wird aus diesem Ei ein Puk ausgebrütet. Dieser Puk ist ein Hausgeist, der nach dem Schlüpfen alle Hausarbeiten verrichtet und dafür sorgt, dass es dem Besitzer des Puks immer gut ergehe. Ein Mann aus dem Dorf Sehlen hat nun einmal den Versuch unternommen, sich auf diese Weise einen Puk zu verschaffen. Mit den nötigen Lebensmitteln versehen, begab er sich zu einer sehr einsamen Stelle, einer Sandgrube und fing hier an, das von seinem Hahn gelegte Sparei in der angegebenen Weise auszubrüten. Der Bauer wurde jedoch entdeckt und gestört, bevor er damit fertig geworden war. 

Die Zwerge beim Erntefest in Posewald

Im Dorfe Posewald wurde gerade Erntedankfest gehalten. Der Gutsherr hatte tüchtig anrichten lassen und die besten Braten, Reis und Pflaumen und dazu schäumendes Bier auftischen lassen. Aber eines war merkwürdig: So oft und so viel Speisen auch aufgetragen wurden, immer waren sie nach kurzer Zeit verschwunden. Keiner so recht satt. Da kam ein Mann mit einem „dreikantigen“ Hut herein, der fragte den Gutsherren, ob er einmal sehen möge, wo doch alle die Speisen bleiben. Als der Gutsherr das bejahte, hielt ihm der andere ein Glas vor seine Augen und da sah der Gutsherr, dass der ganze Raum von kleinen Leuten angefüllt war. Zwischen den Leuten sah er die vielen kleinen Leute, die ihrerseits sich wacker an den Speisen und Getränken labten. So war es auch kein Wunder, dass im Handumdrehen die Speisen verschwunden waren. Als sich dann aber die Unterirdischen entdeckt sahen, verschwanden sie ungesehen und ungehört unter der Erde. Ihre Wohnungen hatten sie in den zahlreichen Hünengräbern in und bei Posewald. 

Der Riese namens „Balderich“

© René Geyer

Vor unendlich langer Zeit soll auf Rügen ein gewaltiger Riese namens Balderich gelebt haben. Von diesem Balderich wird ein besonderes Kraftstück erzählt. Balderich stand eines Tages auf dem Tannenberg bei Putbus und schaute zu, wie die Menschen in Vilmnitz, eine gute halbe Meile von der weißen Rosenstadt entfernt, ihre Kirche bauten. Da sprach er bei sich: „Lass die kleinen Würmer ihren Ameisenhaufen nur aufbauen, den werfe ich wieder nieder, wenn er fertig ist!“ Als nun eines Tages die Kirche erbaut war und der Turm aufgeführt war, nahm der Riese einen mächtigen Stein und schleuderte diesen nun vom Tannenberg mit so ungeheurer Kraft hinab, dass er wohl eine Viertelmeile über die Kirche hinwegflog und bei Nadelitz niederfiel. Dort liegt er heute noch an dem Wege nach Posewald und wird Riesenstein genannt.

Ein anderes Mal verdross es den Riesen Balderich gar sehr, dass das Land in dem er wohnte, eine Insel war. Er musste somit immer durch die See waten, wenn er auf das Festland wollte. So band sich Balderich eines Tages eine sehr große Schürze um die Hüften und füllte sie mit Erde und Steinen. Damit wollte er einen Damm von der Insel Rügen bis zur Küste errichten. Als er nun mit seiner schweren Last bis zum Dorf Rambin kam, riss plötzlich ein Loch in die Schürze und aus der Erde die daraus fiel, wurden die Hügelgräber „Die neun Berge“ auf der Feldmark. Balderich stopfte das Loch wieder zu und schritt weiter.

Doch bei dem Ort Gustow angekommen, riss wieder ein Loch in die Schürze und es fielen dreizehn kleine Berge heraus. Mit der restlichen Erde kam er schließlich bis an die Küste und schüttete sie hinein. Daraus entstand der Prosnitzer Haken sowie die kleine Halbinsel Drigge. Dennoch blieb ein Zwischenraum bis zum Festland. Als Balderich das sah, ärgerte er sich so sehr, dass er plötzlich vom Schlag getroffen wurde und tot hinstürzte. So kam es, dass dieser Damm nie fertig wurde und Rügen lange Zeit eine Insel ohne Anschluss an das Festland blieb.

Das Mädchen in Hasengestalt bei Trent

© René Geyer

Tiere spielen auch in den Rüganer Sagen eine besondere Rolle. Über den Feldhasen wird folgendes um die Gegend bei Trent, im Nordwesten der Insel Rügen berichtet. Das Mädchen in Hasengestalt: In Trent lebte früher ein Mädchen, welches von seiner Großmutter einen sogenannten Hexenriemen erhalten hatte. Sobald es denselben umgeschnallt hatte, konnte sie sich in einen Hasen verwandeln. In dieser Gestalt hatte sie nun des Öfteren einen in der Nähe wohnenden Förster geäfft.

Alle Schüsse des Jägers auf diesen vermeintlichen Hasen sind vom Fell abgeprallt und waren immer ohne Wirkung. Bald bemerkte er, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Und so lud er sich einen Sargnagel in die Flinte. Als er das nächste Mal den Hasen erblickte, traf er ihn an einem seiner Hinterläufe. In demselben Augenblick aber verschwand der Hase und an seiner Stelle stand das Mädchen vor ihm. Sie bat unter Tränen um Hilfe, da ihr Fuß schwer verletzt war. Um das Mitleid des Försters zu erregen, gestand sie ihr Unwesen ein und versprach auch in Zukunft keinen Gebrauch mehr davon zu machen.

Eine ganze Zeit hielt sie ihr Versprechen, kaum aber war der Fuß besser geworden, so fiel sie in ihr altes Laster zurück. Auf dem nahe gelegenen Gut Zubzow diente nämlich ihr Bräutigam als Futterknecht. Und um diesen oft und ungestört zu besuchen, nahm sie ihren Riemen fleißig zur Hand. Der Bräutigam hatte nicht die leiseste Ahnung davon. Eines Tages erschien ihm seine Braut als Hase, da sie noch nicht die Zeit gehabt hatte, wieder ihre menschliche Gestalt anzunehmen. Da schlug er mit einer Wassertrage nach ihr. Sie vergoss infolgedessen sehr viel Blut und gestand ihrem Bräutigam unter vielen Tränen, wie es um sie stünde. Da löste dieser das Verhältnis zu ihr. Das Mädchen jedoch blieb lahm bis an ihr Lebensende. Der Hexenriemen aber soll später auf dem Grabhügel ihrer Großmutter eingegraben worden sein. 

Über Wassergeister und Nixen

Bislang hat sie auch noch nie jemand gesehen, weil der weiße Nebel das Kleid der Seejungfrauen verhüllt. Dass dies so ist, ist aber ein wahres Glück, denn – so erzählt man auf Rügen – wer einmal eine Seejungfrau aus der Nähe gesehen hat, der sei ihr unwiderruflich verfallen und wird alsbald in die Tiefe des Sees oder in die Ostsee gezogen. Im Schwarzen See in der Granitz wohnen die Nixen und zu gewissen Zeiten kommen sie an die Oberfläche. Wenn die Nixen dann einen einzelnen Mann, zumal einen Jüngling, am Ufer des Sees erblicken, so locken sie ihn mit besonderer Vorliebe zu sich in die Tiefe hinein. Daher ist es besonders an schönen Sommertagen gefährlich, allein am Ufer des Sees zu verweilen.

Wassergeister auf Mönchgut

Zu den Wassergeistern werden die auf Mönchgut beheimateten „Witten Wiwer“, die weißen Frauen, gezählt. Über sie gibt es folgendes zu berichten: im Südosten der Insel Rügen gibt es einen Ufervorsprung, ein Höft, welches Swantegard genannt wird. Dort, so heißt es, haben die „Witten Wiwer“ dereinst gewohnt. Sie sollen ganz weiß ausgesehen, und kurze Röcke angehabt haben. Außerdem, so sagt man, seien sie ganz „lütt west“, also sehr klein. Vor dem Ufer sollen, wie an einer Schnur, Steine im Wasser liegen.

Diese nennt man die Waschsteine, auf denen die „Witten Wiwer“ ihre Wäsche wuschen. Ihre Wohnungen, die oberhalb des Ufers lagen, sollen immer sauber und schmuck ausgesehen haben. Beim Swantegard gibt es noch ein Loch, welches man das Nonnenloch nennt. Dort sollen sie auch ihre Wohnungen gehabt haben. So sei es auch vorgekommen, dass man sie auf dem Göhrener Buskam sitzen sah. Auf der Plattform des Steines aßen sie aus zinnernen Tellern ihre süße Grütze. Zuweilen konnte man aber mit viel Glück die „Witten Wiwer“ bei ihren Tänzen oder Reigen sehen. Irgendwann sollen die „Witten Wiwer“ über den Mönchsgraben ausgewandert sein. Dort stand ein mächtiger Eichbaum und die „Witten Wiwer“ haben verkündet: „Nun wird die Eich vertrocknen. Wenn sie aber wieder ausschlägt, dann kommen wir wieder.“

Als die Weiber fort waren, ist die Eiche tatsächlich vertrocknet und hat seit jeher nicht wieder ausgeschlagen. Viele Jahre haben die Mönchguter die Eiche stehen lassen in der Hoffnung, sie schlüge wieder aus. „Un dat is noch nich lang her, dat se se afhaugt hebben.“ So hört man es noch heut von den alten Leuten. 

Der Schatz im Poltenbusch bei Zudar

Rügen ist ja reich an Naturschätzen wie Seen, Wälder, unberührte Küsten, gewaltige Bäume oder den am Strand gefundenen Bernsteinen. In früheren Zeiten glaubten aber unsere Vorfahren auch an Schätze an verborgenen Orten oder in Gegenden mit einer sehr weit zurückliegenden Vergangenheit. So auch an einen Schatz im sogenannten „Poltenbusch“ östlich der Chaussee Garz – Zudar. Der Poltenbusch ist ein hochgewölbtes, kegelförmiges Hügelgrab. Die Leute sagen, beim Poltenbusch spukt es und andere fügen hinzu, dass unter dem Poltenbusch große Schätze verborgen sind.

Einst sah eine Frau, die vom Kirchdorf Zudar nach Garz ging, beim Poltenbusch ein helles Licht brennen und als sie näher hinzukam, sah sie, dass dort jemand saß und Geld zählte. Die Frau war nicht faul, kniete sich nieder und füllte ihre ganze Schürze mit Geld. In Garz nahm sie sich ein Fuhrwerk und kehrte zum Poltenbusch zurück, in der Hoffnung, noch mehr Geld zu holen. Sie lud nun mit einem Fuhrmann so viel Geld auf den Wagen, wie dieser nur fassen konnte. Als sie aber mit dem Schatz fortfahren wollten, da wollte plötzlich das Pferd nicht vorwärts gehen. So gut sie ihm auch zuredeten, es ging keinen Schritt vorwärts. Ihnen blieb also nichts anderes übrig als Hilfe zu holen. Nach zwei Stunden kehrten sie mit Hilfe zu dem Wagen zurück. Doch der Wagen war leer und von dem Schatz keine Spur mehr vorhanden. So sind sie wegen der Gier nach dem Geld um ihre Arbeit betrogen worden.

Der Schatz im Hünengrab bei Karow

Ähnlich erging es auch zwei Bauern, die aus einem Hünengrab einen Schatz heben wollten. Auf dem Karower Feld, nach Kaiseritz zu, liegt ein Feldstück, welches „de Kratt“ genannt wird. Auf diesem befindet sich ein Hünengrab, das Bauern vor langer, langer Zeit aufgegraben haben. Sie fanden einen mit Geld gefüllten Sarg. Sie wussten, dass man solche Schätze nur unter der Bedingung heben kann, dass man bei dieser Unternehmung absolutes Schweigen bewahrt. Gerade als sie den Sarg aus der Grube herausheben wollten, brach einer der Bauern das Stillschweigen, dass sie bei der ganzen Ausgrabung bewahren sollten. Sogleich war der ganze Schatz wieder in der Erde verschwunden.

Der Wechselbalg

Als die Unterirdischen (Zwerge) noch im Land waren, haben sie häufig den Wöchnerinnen die Kinder aus der Wiege genommen und dafür ihre eigenen hineingelegt. So ging es auch einer Bauersfrau. Ohne dass sie den Tausch merkte, nährte und pflegte sie das untergeschobene Kind, so als wäre es ihr eigenes, leibliches Kind. Doch kam es ihr mit der Zeit wunderlich vor, dass jenes weder an Wachstum zunahm, noch auch sprechen lernen wollte. In dieser Not wandte sie sich an eine weise Frau. Diese erkannte, dass es ein Wechselbalg sei und gab ihr an die Hand, wie sie es anstellen müsse, um Gewissheit zu erlangen. Als das Weib also nach Hause kam, stellte es Eierschalen auf den Herd und tat Wasser hinein. Das Kind aber war dabei zugegen und schaute diesem Treiben der Frau zu und mit einem Mal tat es den Mund zum Sprechen auf und fragte: „Moder, wat wisst du dormit?“ Das Weib antwortete: „Backen un brujen!“ Da rief das Kind verwundert aus: „Nu bin ik doch so olt, as Bemer wahnt, äwer so’n Backen und Brujen heff ick noch min Leder nich sehn!“  Die Frau erkannte nun, dass es ein Wechselbalg sei und sprach: „Bist Du so alt als Bemer wohnt, so bist du auch nicht mein Kind!“ und stieß es damit ins Feuer. Daraus ist es aber sogleich verschwunden und die Unterirdischen habe es sich wiedergeholt.

Der Kielkropp von Lancken

Einer Bauersfrau im Kirchspiel Lancken ward ein Kind geboren, das hatte seine gesunden Gliedmaßen und war schmuck anzusehen. In kurzer Zeit aber wandelt sich das Kind, kriegt einen dicken Kopf und will nicht gedeihen. Als es nun getauft werden soll, wollen die Hebamme und die drei Paten mit ihm zur Kirche nach Lancken fahren. So kommen sie bis an die Brosser Brücke zwischen Sellin und Garftitz, da ruft es unter der Brücke hervor: „Wohin Kielkropp!“ Und das Kind antwortet: „Ick will hen nach Sankt Marien un laten mi’n bäten wijen (weihen), dat ick ock ward gedijen (gedeihen).“ Als die Hebamme das hört, wirft sie den Kielkropp vom Wagen, da kommt das rechte Kind angeflogen.

Über die Rügenschen Zwerge

© René Geyer

Zwerge haben die Größe eines 3- bis 4-jährigen Jungen und werden auch „de lütten Lüd“ oder „Unterirdische“ genannt. Das Besondere bei den Zwergen auf Rügen stellen aber die vier verschiedenen Arten dar. Da wären die grauen, schwarzen, grünen und weißen Zwerge. Jede Art von ihnen wohnte auf verschiedenen Inselteilen und sie waren auch von unterschiedlichem Charakter.

Die grauen Zwerge waren den Menschen am gefährlichsten, aber auch von den schwarzen Zwergen drohte Gefahr. Beide sollen den Mädchen nachgestellt haben, die Säuglinge aus den Wiegen geholt und danach einen dickköpfigen Wechselbalg hineingelegt oder so manch argen Schabernack getrieben haben. Das Zuhause der schwarzen Zwerge befand sich im Wallberge bei Garz. Die grauen Zwerge wohnten hingegen bei Berglase, in der Gegend von Rothenkirchen in den neun Bergen. Die weißen Zwerge waren guttätig und fromm. Sie wohnten in der Umgebung von Patzig. Die Grünen waren dem Menschen recht gut gestimmt, konnten aber auch manch Schabernack nicht lassen. Sie lebten ausschließlich in der Granitz.

Der reich belohnte Bauer bei Rothenkirchen

Einst, so berichtet man, pflügte ein Bauer eine Feldmark bei Rothenkirchen. Als er in die Nähe der neun Berge kam, hörte er ein leises Flüstern, was recht eigentümlich an sein Ohr klang.  Er aber konnte nichts sehen. Wie er nun gerade wieder an einem der Hügel umwenden wollte, bemerkter er am Abhang desselben eine lütte Uhr. Er steckte sie ein und ging weiter. Die Uhr jedoch gehörte einem Zwerg, der sie dort verloren hatte. Den Verlust musste der Zwerg dem Obersten der Zwerge melden, der ihn dafür mit 3 Jahren Gefängnis für seine Fahrlässigkeit bestrafte.

Als der Zwerg jedoch hörte, dass ein Bauer die Uhr gefunden haben soll, bat er für eine Stunde auf die Oberwelt gehen zu dürfen. Als ihm das erlaubt wurde, ging der Zwerg geradewegs zu dem Bauern und bat diesen, er möge ihm seine Uhr wiedergeben. Anfänglich weigerte sich der Bauer, aber der Zwerg gab keine Ruhe und ließ nicht ab zu bitten. Er versprach dem Bauern sogar eine reiche Belohnung. Daraufhin lenkte der gutmütige Bauer ein und gab dem Zwerg seine Uhr zurück.

Am nächsten Morgen in aller Früh ging der Bauer auf das Feld, um zu pflügen. Wie erstaunt schaute der Bauer, als der Pflug die Erde aufwarf und dabei blanke Dukaten in die Furche hineinfielen. Der gutmütige Bauer wurde so von dem Zwerg belohnt.     

Nicht immer geht so eine Sage zu Ende. Sehr oft werden Menschen in der Sage getäuscht und betrogen. Bei meinen Führungen hört Ihr mehr von den Zwergen und ihren Streichen.

Der Zwergenkönig

Einem Bauern bei Rambin raubten die Zwerge eines Tages die Schwester. Wegen dieser Tat lauerte er den kleinen Leuten des Abends auf. Mehrere Male versuchte er dies vergeblich, doch eines Abends gelang es ihm schließlich eines der kleinen Leute habhaft zu werden und entriss diesem die Zwergenmütze.

Bei dem Beraubten handelte es sich zufällig um den König der Zwerge. Und als dieser seinen erheblichen Verlust bemerkte, ging er zu dem Bauern und bat und flehte um die Rückgabe seiner Mütze. Der Bauer aber blieb unerbittlich. Da bot der Zwergenkönig dem Bauern unermessliche Schätze an, mehr noch als alle Könige der Erde besäßen. Auch das schlug der Bauer ab. Er sagte, er würde die Mütze nur unter einer einzigen Bedingung zurückgeben: Wenn man ihm seine Schwester wiedergäbe. Das konnte aber der Zwergenkönig nicht alleine entscheiden, sondern musste dies mit den anderen kleinen Leuten besprechen.

Der Zwergenkönig wusste jedoch den Bauern zu überreden, dass er mit ihm in das Reich der Zwerge hinabstieg. Als nun der Bauer dort unten ankam, erhielt er goldene Kleider und durfte seine Schwester begrüßen, die die Zwerge inzwischen zur Königin gemacht hatten. Der König der Zwerge und seine Untertanen zogen sich zur Versammlung zurück, um die Sache zu beraten. Man kam überein, dass der Bauer nach Rückgabe der Mütze seine geliebte Schwester wieder mit auf die Oberwelt nehmen durfte. Keiner war nun froher darüber als der Bauer und sogleich kehrte er mit seiner Schwester in die Heimat zurück.

Oben angekommen hätten sie aber fast dieselbe nicht wiedererkannt. Dort waren lauter fremde Menschen, die ihnen entgegenkamen. Selbst die Häuser, Ställe und Scheunen sahen zum großen Teil ganz anders aus, als sie sie verlassen hatten. Aber bald sollten sie beide die Lösung des Rätsels erfahren. Der Bauer glaubte, er sei nur eine einzige Nacht im Reich der Zwerge gewesen, so schnell verging ihm dort die Zeit. In Wirklichkeit aber war er, wie sich nun herausstellte, hundert Jahre abwesend gewesen und in dieser Zeit hatte sich natürlich viel auf der Erde verändert.

Über Hellseher

Noch heute berichtet man über Leute, mit der besonderen Gabe Dinge vorauszusehen.

Ein Mann von Wittow, der aus der Stubnitz Holz geholt hatte, hielt im Dorf Hagen am Hause eines Bauern an. In dem Augenblick sah er – niemand weiter aber hat es sehen können – wie ein Kind eilends aus dem Hause gerannt kam und auf dem Weg nach Sagard verschwand.

Der Fremde erschrak sichtlich und erkundigte sich, ob jemand im Dorf krank geworden sei. „Nein“, lautet immer die Antwort. „Und doch, wird heut hier noch jemand sterben!“, setzt er hinzu. Und an diesem Tage ward nun das Kind des Bauern an der Bräune krank und ward auch vor dem Abendrot eine Leiche. Dieser Mann hat die Gabe gehabt vorauszusehen.


Die Brauteiche

Am Wege, der von Pantow nach Zirkow führt, stand bis vor vielen, vielen Jahren, dort wo der alte Weg nach Zargelitz links abgeht, etwa 30 Schritte Wald einwärts an einem kleinem Anberge die sogenannte Brauteiche. Diesen Namen hat der Eichbaum daher bekommen, weil einst ein Brautpaar, das vor einen nahendem Gewitter unter den Baum geflüchtet war, dort vom Blitz erschlagen wurde. Diese Eiche war allmählich vertrocknet und zur Baumleiche geworden. Zuletzt stand nur noch ein Stumpf mit einem einzigen kümmerlichen Aste. Vor etwa fünfzig oder sechzig Jahren ist auch der verschwunden.

Der Fischer und die Jungfrau

Vor vielen Jahren sah ein Fischer eine schöne Jungfrau unten am Waschsteine stehen, die ein blutiges Tuch in die See tauchte, um die Blutflecken daraus zu entfernen. Ihre Mühe war vergebens. Der Fischer fasste sich ein Herz und ruderte näher zu ihr hin. Er sprach sie an mit den Worten: „Gott helf, schöne Jungfrau! Was machst du so spät hier noch allein?“ Die Jungfrau verschwand daraufhin, aber der Fischer war wie von einer Zauberei befangen, so dass er nicht von der Stelle konnte. Wie es nun Mitternacht ward, sah er die Jungfrau wieder. Sie trat zwischen den Kreidefelsen hervor auf ihn zu und sprach zu ihm: „Weil du Gott helf zu mir gesprochen, so ist dein Glück gemacht. Folge mir nach!“ Dann kehrte sie zwischen die Felsen zurück, aber er folgte ihr in die große weite Höhle, die er doch vorher noch
nie gesehen hatte. Darin lagen unermessliche Schätze aller Art. Als der Fischer die Schätze überschaute, hörte er auf einmal auf der See Ruderschläge und als er sich danach umschaute, erblickte er ein großes schwarzes Schiff nahen. An die tausend Männer in schwarzer alter Tracht und das Haupt unter dem Arme tragend, stiegen vom Schiff. Still und ohne einen Ton zu sagen schritten sie in die Höhle und fingen an die Schätze zu durchwühlen und zu zählen. Das waren die Geister des geköpften Störtebeker und seiner Genossen. Sie kommen jede Nacht dorthin und zählen ihren Raub, ob er noch dort sei. Lange Zeit haben sie mit dem Golde zugebracht, nun verschwanden sie alle wieder. Die Jungfrau füllte nun aber dem Fischer einen Krug mit Gold und Edelsteinen, so dass er zeitlebens der Reichtümer genug hatte. Darauf
geleitete sie den Fischer zu seinem Schiffe zurück und als er sich wieder nach ihr umsah, war sie mitsamt der Höhle verschwunden.

Störtebeker holt einen Lotsen vor der Mönchguter Küste an Bord

© René Geyer

Der Lotse Tietz Dumrath fische eines Nachts mit seinem Fischerboot vor der Mönchguter Küste. Das Wasser lag still in der nächtlichen Zeit und er sah verträumt auf das stille Wasser des Boddens. Plötzlich tauchte, wie von Geisterhand gezaubert, ein riesiges Schiff aus dem Dunkel vor seinem Fischerboot auf und eine raue Männerstimme befahl ihm, an Bord zu kommen. Tietz Dumrath gehorchte. Auf diesem Schiff drückte ihm ein großer, kräftiger, bärtiger Mann das Steuerruder in die Hand und sagte: „Bring uns heil nach dem Sund!“, denn es war kein leichtes Unterfangen, dieses große Schiff zur nächtlichen Zeit durch den Greifswalder Bodden mit seinen Untiefen zu bugsieren. Auch für den erfahrenen Lotsen Tietz Dumrath war das keine leichte Aufgabe. Endlich erreichte das große Schiff die Einfahrt in den Sund und der bärtige Mann löste den ermüdeten Lotsen ab. Er war kaum unter Deck, als sich ein Summen und Brausen erhob und der Wind nur so jaulte. Das Schiff machte rasende Fahrt bis plötzlich jemand laut schrie: „Wir segeln die Nikolaikirche in den Grund und Boden!“ Der Lotse Tietz Dumrath eilte an Deck,
doch da schoss schon der schwere Anker in die Tiefe. Das Schiff lag im Hafen von Stralsund. Nun erhielt Tietz Dumrath reichlich Lohn für seine guten Dienste und für ihn stand nun fest, dass er auf dem Schiff vom Störtebeker gefahren war. Noch öfter wurden die Lotsendienste von den Mönchguter Lotsen für Störtebekers Schiff benötigt und alle Lotsen wurden auch immer reichlich belohnt für ihre Dienste.

Der Fischer und der Teufelsaal im Schwarzen See

© René Geyer

Fischer Klatt hatte schon so manch guten Fang aus dem geheimnisumwitterten Schwarzen See im Walde der Granitz gemacht. Irgendwann begann er sogar im stillen Waldsee mit Reusen zu fischen. Das gelang ihm auch sehr gut und erfolgreich. Die Leute sahen ihn aber nur von der Seite an. Die Leute glaubten, dass er beim Fischen einen Hausgeist Puk bei der Arbeit zur Hilfe habe. Doch kein Geringerer als der Teufel selber hatte es auf den Fischer abgesehen, denn Klatt war ein arger Flucher und das sollte ihm nun schlecht bekommen. Eines Morgens fand Fischer Klatt in der Reuse einen riesigen Aal. Klatt schätzte ihn auf mehr als fünfundzwanzig Pfund. Am Anfang freute er sich riesig, aber dann war ihm doch etwas mulmig zumute. Er hatte solch ein Ungetüm noch nie gesehen. „Dat ́s ja woll gar de Oll sülwen“, meinte er. Schnell schob er seine Angst aber weg und griff geschwind in die Reuse. Aber kaum hatte Klatt den dicken Aal im Boot – husch- da war er ihm auch schon wieder entglitten und blitzschnell im Wasser verschwunden. Am nächsten Morgen zappelte der Aal wieder in seiner Reuse und nun wolle es Klatt aber geschickter anstellen. Alle sollten sehen, welch Geschenk ihm der Schwarze See beschert hatte. Mit diesen Gedanken war er aber wieder nicht achtsam genug und wieder entglitt Klatt der Aal wie tags zuvor. Mit langem Gesicht zog er von dannen und überlegte, wie er diesem riesigen Aal den Garaus machen könne. Auch am dritten Tage war der Aal in der Reuse und nun galt es. Er zog mit aller Kraft die Reuse heran und schnürte sie fest zu. Dann hob er die Reuse mit dem Aal auf den Rücken und machte sich auf den Heimweg. Immer schwerer wurde die Last und er wäre fast zusammengebrochen vor Anstrengung, aber endlich kam er nach Hause und legte den Fang in die Küche. „ So“, sagte er zu seiner Frau. „nu hew ick ́t schlau makt. Nu hew ick em mit de Reus herschleppt! Sett man ficks ́n Braukessel vull Water up ́t Füer!“ Bald brodelte das Wasser im Kessel und mit alle Vorsicht ging der Fischer zur Reuse um den Aal aus der Reuse zu nehmen. Aber alles half nix, der Aal schoss mit unheimlichem Zischen zur Esse hinaus. Klatt und seine Frau standen vor Entsetzen in der Küche. Seit diesem Tage wollte dem Fischer ein rechter Fang im See nicht mehr gelingen. Er versuchte es aber immer wieder. Es schien als habe der Teufel alle Fische aus dem See genommen. Immer ärgerlicher wurde Klatt und stieß grässliche Flüche aus gegen den See, den Aal und auch gegen seine Frau und dann gegen sich selber. Er befand sich gerade auf der Mitte des Sees, als ein großer Schatten unter der Wasseroberfläche zu sehen war – sein Aal. Und schon kam er wieder und Fischer Klatt beugte sich über das Boot, um ihm zu packen und verlor das Gleichgewicht. Er stürzte ins Wasser, ging sofort unter und versank für immer in der Tiefe des Schwarzen Sees.

Über den Teufel

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Sagen über den Teufel gibt es wohl in jeder Region in Deutschland, so auch auf Rügen, wo so manche Örtlichkeit und ihre Entstehung mit dem Teufel in Verbindung gebracht wird.

Der Bach Duwenbäk

Die Duwenbäk soll vom Teufel ausgepflügt worden sein. Die Duwenbäk ist ein Bach, der aus dem Nonnensee bei Bergen abfließt und nach mannigfach gewundenem Laufe nördlich von Gingst, zwischen Konitz und Grosow, in den Koselower See mündet. An einer Stelle, nämlich dicht vor Kluis, soll das Rinnsal des Baches vom Teufel ausgepflügt worden sein, der seine Großmutter vor den Pflug gespannt hatte. Die Alte aber war beim Pflügen recht faul. Der Teufel musste sie oft mit der Peitsche antreiben. Bei jedem Peitschenhieb aber zog die Großmutter mit einem Ruck an und dadurch ist es nun gekommen, dass der Graben in dem der Bach abfliest, in einer richtigen Zickzacklinie verläuft.

Düwels Botterfatt

Zwischen den Kirchdörfern Gustow und Poseritz liegt in der Nähe der alten Landstraße, die von Garz nach Altefähr führt, ein Erdloch, welches im Volksmunde „Düwels Botterfatt“ heißt. Woher der Name stammt, erzählt man sich noch heute. In früheren Zeiten wollte eine Katenfrau in Warksow buttern. Eine halben Tag lang stand sie schon am Butterfaß, aber Butter gab es keine. Zornig packte sie ihr Butterfaß, rannte damit zu der bezeichneten Grube, in der damals noch eine größere Menge Wasser war, setzte das Fass hinein und butterte weiter bis zum finsteren Abend. Der Schweiß rann ihr am Leib herunter, aber einen Erfolg ihrer Tätigkeit sah sie immer noch nicht. Ärgerlich über dies rief sie endlich aus: „Dor mag de Düwel länger bottern!“ Kaum aber hatte sie diese Worte ausgesprochen, da stand der Angerufene auch schon neben ihr, mit Schwanz, Hörnern, Pferdefuß und den sonstigen Attributen seiner höllischen Majestät geschmückt, sowie einem stinkenden Schwefelgeruch. Mit teuflisch-freundlichem Grinsen nahm er der Frau den Stampfer aus ihren zitternden Händen und im nächsten Augenblick war Butter da. Als Lohn für seine Arbeit nahm der Teufel die arme Seele direkt aus der Grube mit sich zur Hölle hinab. Die Grube aber heißt seitdem bis auf den heutigen Tage „Düwels Botterfatt“

Fesselnde Rügen-Sagen im Spätsommer

Rügen ist mit vielen vorgeschichtlichen Denkmälern gesegnet. Viele dieser Volkssagen haben Spannendes von außergewöhnlichen Orten zu berichten. Hünengräber etwa kommen immer wieder in Erzählungen vor. Lest mehr über Rügens sagenhafte Welt und wie man diese am besten erkundet.

Der brennende Schatz in Putgarten

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Ein im Jahre 1803 geborener Arbeiter bei Putgarten berichtete aus seiner Jugend. Er diente als Junge bei einem Bauern in Putgarten. Dem Bauern ging es ziemlich dürftig, denn sein Vieh war mager und die Gebäude ziemlich baufällig.

Außer ihm dienten noch zwei Knechte und drei Mägde auf seinem Hofe. Eines Abends war er in der Leutestube eingeschlafen und die Knechte und Mägde gingen zu Bett ohne ihn aufzuwecken. In der Nacht wachte er von selber auf und sah plötzlich nebenan in der Küche ein helles Lichtlein brennen.

Er dachte, es wären die Mägde, die vielleicht etwas länger aufgeblieben wären. Und da kam ihm der Gedanke, die Mädchen erschrecken zu wollen und schlich so leise an die Küchentüre heran. Aber er erschrak als er in die Küche hineinblickte! Da saß an der Erde ein kleiner Mann mit einem großen Hut und rührte mit einem Stock in der vor ihm liegenden Kohle. Doch je mehr er rührte, desto heller wurde das Feuer und desto mehr loderten die Flammen in die Höhe. Der Junge sprang vor Schreck aus dem Flurfenster auf den Hof. Dort lag aber gerade der Kettenhund. Dieser erschrak und packte den Jungen an einem Bein. Im ersten Augenblick dachte ich, der Düwel habe mich am Hacken. Aber dann beruhigte sich der Hund wieder, so dass der Junge davonkam. Im Bette überdachte er sein Erlebtes und merkte, wie dumm er doch gewesen war. Hätte er seine Mütze oder irgendeinen anderen weichen Gegenstand in die Kohlen geworfen, so hätte er am anderen Morgen den ganzen Schatz einheimsen können.

Aber noch dümmer war es, dass er sein nächtliches Erlebnis am anderen Morgen dem Bauern erzählte. Der Bauer nämlich hatte sich die Sache zunutze gemacht und den Schatz gehoben. Nach einiger Zeit war nämlich Geld in Hülle und Fülle vorhanden, die Gebäude wurden nach und nach neu aufgeführt sowie neue und starke Pferde und gute Milchkühe angeschafft.

Der gespenstische Leichenzug bei Wiek

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Vor gut 100 Jahren wurde eine Hebamme zu Wiek auf der Halbinsel Wittow eines Abends nach dem Ort Dranske gerufen. Um den weiten Weg nicht ganz allein gehen zu müssen, nahm sie ihren Ältesten als Begleiter mit: den damals etwa zehnjährigen Sohn mit Namen Theodor. Als nun beide die sogenannte Weidenmühle, ein ausgebautes Mühlengehöft von Wiek auf dem Wege nach Starrvitz erreicht hatten, drängte sich der Junge an seine Mutter heran. Der Sohn fasste ihre Hand und versuchte sie auf die andere Seite des Weges zu ziehen. Die Mutter aber sagte darauf nur: Jung, ick gar hier jo ganz god!“ Während sie das sagte, stolperte sie auch schon und fiel der Länge nach hin.

Nach einer Viertelstunde sprach der Junge: “Mudder, ick wull di di Siet tehn; du sußt nich midden dörch den Liekentog gahn. Äwer du gingst grad dordörch un büst äwer den Sarg stolpert un henfollen.“ (Übersetzung: „Mutter, ich will dir zur Seite stehen. Du sollst nicht mitten durch den Leichenzug gehen. Aber du gingst grade dadurch und bist über den Sarg gestolpert und hingefallen“) Seine Mutter antwortete: „Wecken Liekentog meenst du?“ (Übersetzung: „Welchen Leichenzug meinst du?“). Ihr Sohn antwortete mit leiser Stimme: „Hest du nichts sehn? Ick heww`n Liekentog mit´n Sarg un Pastor un väle, väle Folgers dorachter sehn; de ging bi de Weidenmähl quer äwer de Strat weg.“ (Übersetzung: „Hast du nichts gesehen? Ich habe einen Leichenzug mit Sarg und Pastor und vielen, vielen Gefolgsleuten dahinter gesehen. Sie gingen bei der Weidenmühle quer über die Straße hinweg.“) Seine Mutter hatte von alledem nichts gesehen.

Der Gespensterzug bei Wiek

Ein Müllergeselle, der auf der Schmantevitzer Mühle beschäftigt war, fuhr eines Nachts mit einem Einspännerfuhrwerk nach Wiek zur Apotheke. Als er auf dem Bohlendorfer Berge angelangt war, fuhr ein langer gespenstischer Zug an ihm und seinen Pferden vorbei. Er sah allerlei Gestalten zu Fuß, aber auch auf Pferden an ihm vorbeiziehen. Diese waren dunkel, hatten unbestimmte und unklare Umrisse und machten einen gar schaurigen und gespenstischen Eindruck. Der Müllergeselle lenkte seinen Schimmel, der Zeichen von großer Unruhe von sich gab, etwas abseits vom Wege und hielt hier bis der langgestreckte Tross vorüber war. Wie lange es gedauert hat, bis auch die letzte Gestalt das Zuges im Dunkel der Nacht verschwunden war, wusste der Müllergeselle später nicht mehr anzugeben. Sein Gefühl sagte ihm aber, dass mehrere Stunden vergingen, ehe der schauerliche Zug vorübergezogen war.

Karl XII. speist auf dem Stein bei Nadelitz

© René Geyer

Wenn man die alte Mönchguter Landstraße in Richtung Putbus fährt, dann durchquert man auch das kleine Dorf Nadelitz. Dort, so ziemlich am Anfang des Dorfes unter alten Eichen, liegt ein großer Stein um den sich folgende Sage rankt:

Als die Preußen und die Dänen bei Stresow auf der Insel Rügen gelandet waren, zog ihnen nun König Karl der Xll. von Schweden entgegen, um sich mit ihnen zu messen. Von Stralsund kommend, schlug dieser die Landstraße über Garz und Putbus ein. So um die Mittagszeit war er mit seinem Gefolge bei dem Dorf Nadelitz angekommen. Beim König und auch bei seinem Gefolge hatten sich großer Hunger und Durst eingestellt. Der König sah unmittelbar neben der Landstraße einen stattlichen Felsblock liegen und sprach zu seinen Leuten: „Hier hat uns die Natur selbst eine Mittagstafel bereitet und hier wollen wir speisen und uns für die bevorstehende Schlacht stärken“. Wie der König befohlen hatte, so geschah es dann auch sogleich. Das Andenken an dieses Königsmahl hat sich aber bis auf den heutigen Tag im Munde des Volkes erhalten.

Der Stein ist 180 cm lang und 90 cm breit und ragt fast 30 cm über dem Erdboden hervor. Die Oberfläche ist abgeplattet und ganz glatt, als ob sie künstlich bearbeitet worden wäre.

In neuerer Zeit wird vermutet das es sich bei diesem großen Stein um den Rest eines vorgeschichtlichen Grabes aus der Steinzeit handelt. In und um Nadelitz herum befinden sich viele geschützte Bodendenkmale aus der Jungsteinzeit und aus der Bronzezeit. Dieser Teil Rügens ist gerade auch „sagenhaft“ mit vorgeschichtlichen Denkmalen gesegnet.

Der Schwarze See in der Granitz

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In der Granitz, in stiller und ruhiger Waldeinsamkeit, liegt der sagenumwobene Schwarze See. Ein Dienstmädchen will nun um das Jahr 1817 die folgende Begebenheit erlebt haben:

Sie einmal mit mehreren Frauen und Mädchen ihres Heimatdorfes in die Granitz, um Heidelbeeren zu sammeln. Um die Mittagszeit, wo sie in der Gegend des Schwarzen Sees waren, setzten sie sich unter eine Buche, um zu essen. Da stieg ihnen plötzlich der Geruch von frischem Brot in die Nase. „Wer hat hier frisches Brot?“, fragten sie sich. Sie erblickten ein kaum eine Elle hohes Männchen am Fuße eines Hügels kommend auf den See zugehen. Nicht lange darauf folgte ein weiteres Männchen, dann noch eines und noch eines. Einer von ihnen trug etwas und neben ihm liefen drei weitere Männchen mit ihren Frauen. Alle gingen sie nun an den See. Was sie dort aber machten, konnten die Mädchen nicht erkennen. Es verging eine Viertelstunde und dann kam der Zug der kleinen Leute in der gleichen Ordnung vom See wieder zurück und verschwand. Erschrocken von diesem Erlebten liefen die Mädchen zur Wohnung des Försters. Der erklärte den Mädchen, dass dies die Unterirdischen gewesen sein müssen, die eines ihrer Kinder am Schwarzen See getauft hätten.

Der Kahn im Baum

Ein Kahnfahrer, der um den See wohnte, fing einmal in seiner Reuse einen mächtig großen Aal. Als er diesen herausgenommen und eine gute Strecke getragen hatte, wurde ihm der Aal so schwer, dass er ihn kaum von der Stelle bewegen konnte. Ärgerlich fing er an, den Aal zu schlagen und plötzlich wurde dieser wieder leichter. So trug er ihn eine gute Strecke. So ging es auch zum zweiten Male: der Aal wurde allzu schwer und ließ sich erst wieder weitertragen, nachdem er durch Schläge sein Mütchen an ihm gekühlt hatte. Als es aber zum dritten Male so kam und der Aal schwerer wurde als je zuvor, beschloss der Bauer, ihm nun den Kopf abzuschneiden. Er nahm den Aal aus dem Handnetz heraus, aber da flutschte ihm der Aal aus den Händen und lief weg. Als nun der Bauer am anderen Tage wieder an dem See kam, war sein Boot mit einem Mal fort. Nach einiger Zeit des Suchens sah er im Wipfel einer Eiche sein Boot hängen. „Wo het de Düwel di in de Eek treegen?“, rief er da voll Verwunderung aus und aus dem Nichts antwortete ihm eine Stimme: „Dat het de Düwel nich dan; ick zog un min Broder schob, un so kreegten wier beide ehm dor herup.“

Der Nachtjäger in der Garzer Heide

An einem hellen Mondscheinabend ritt der Ackermann S. auf der Rückkehr von Bergen nach Garz durch das Karnitzer Holz und die Garzer Heide. Als er an dem Armenbusch gekommen war, sah er plötzlich unter einer Eiche einen stattlichen Reiter auf einem Schimmel halten. Zur gleichen Zeit scheute sein eigenes Pferd und ließ sich nicht von der Stelle bringen, so dass der Ackersmann gezwungen war, sich den Spuk anzuschauen. Der fremde Reiter rührte indes kein Glied. Mit der Hand hielt er eine große Koppel Hunde, die so wie der Reiter und dessen Schimmel ihre feurigen Augen stier auf die Garzer Heide gerichtet hatten. Während der Ackersmann dies alles sah, trat ihm der Schweiß auf die Stirn und es war ihm, als bewegten sich ihm die Haare auf dem Kopfe.

Plötzlich rief der Schimmelreiter: „Hitz, hatz und huß!“, ließ die Hunde los und der ganze Zug saust wie ein Sturmwund an ihm vorüber und war seinen Blicken bald entschwunden. Der Ackersmann schöpfte wieder Luft und Mut und setzte seine Reise fort. Aber trotz seiner genauen Kenntnis des Weges und trotz des hellen Mondscheins, kam er bald vom Wege ab. Wie er eben gewahr wurde, dass er sich mitten in der weglosen Heide befand, hörte er auch schon wieder das fürchterliche „Hatz, hatz!“ und das Gekläff der Hunde. Als er sein Gesicht nach der Richtung drehte, von wo er das Geräusch vernahm, sah er zu seinem Entsetzen die wilde Jagd geradezu auf sich zukommen. Alles Bemühen, mit seinem Pferd eine andere Richtung zu nehmen, war ohne Erfolg. Und mit Schrecken sah er den Augenblick nahen, wo die wilde Jagd ihn erreichen würde. Nicht lange währte es, da sauste der ganze Tross an ihm vorüber und ganz deutlich erkannte er in dem verfolgten Wilde einen nackten Menschen männlichen Geschlechtes von der Größe eines 5- oder 6-jährigen Knaben. Dieser rannte mit gesträubten Haaren und ängstlichen, grausigen Blicken und mit schlackernden Armen, als wenn er diese mit zum Laufen brauchen wollte, an ihm vorüber.

Zwölf große Windhunde mit feurigen Augen und lang aus dem Halse hängender Zunge waren auf seiner Spur und verfolgten ihn samt dem fürchterlichen Reiter. In der Nähe von Strachtitz endete die Jagd, man hörte ein Freudengeschrei des Jägers wie einen Donnerschlag. Das Pferd des Ackermanns jagte mit einem Mal los wie mit der Peitsche geschlagen und hielt erst in Garz wieder an.

Die Entstehung der Insel Ruden und Oi

© René Geyer

In früheren Zeiten war, so erzählt man sich noch heute, der südöstliche Teil der Insel Rügen dem gegenüberliegenden Festland viel näher gelegen als heutzutage. Dort, wo sich jetzt das neue Tief zwischen Mönchgut und Pommern ausbreitet, soll ehemals überall festes Land geherrscht haben. Es ward nur ein schmaler Wasserlauf, worüber ein Steg von hineingeworfenen Pferdeschädeln und Knochen führte und der die beiden Länder trennte. Da entstand in einer Nacht plötzlich ein so fürchterliches Unwetter mit einem gewaltigen Orkan und eine verheerende Sturmflut brauste gegen die Küsten der Insel heran. So wurde der ganze Süden der Halbinsel Mönchgut von den Wogen des Meeres verschlungen. Zwei vollständige Kirchdörfer, Ruden und Carven, sollen nun damals untergegangen sein. Die beiden Inseln Ruden und die Greifswalder Oie hingegen blieben als Reste des ehemaligen Landes übrig.

Zänkischer Ort

Von einer anderen Stelle auf Rügen erzählt man sich folgendes: Ein Teil der Garwitz heißt im Volksmund „de Kriegwisch“. In früheren Zeiten soll die Garwitz mit Holz bewachsen gewesen sein und das haben die Bauern dann allmählich abgerodet, um Weidegelegenheiten für ihr Vieh zu bekommen. Als sie aber nun den Teil rodeten, der jetzt Kriegwisch heißt, erzürnten sich die Leute bei der Arbeit dermaßen, dass es zu einer Prügelei mit blutigen Köpfen kam. Da haben dann die Leute aus der Umgebung gesagt: „Disse Wisch sall de Kriegwisch heeten!“, und das soll so um 1840 gewesen sein.

Die tote Eiche

Nun wird noch berichtet von der Brauteiche: Am Wege von Pantow nach Zirkow stand vor vielen, vielen Jahren, dort wo der alte Weg nach Zargelitz links abgeht, etwa gute 30 Schritt waldeinwärts an einem kleinen Anberg, die sogenannte „Brauteiche“. Diesen Namen erhielt der Baum, als einstmals ein Brautpaar, das vor einem Gewitter unter diesen Baum geflüchtet ward, dort vom Blitz erschlagen wurde. Der Eichbaumstark darauf. Zuletzt stand nur noch ein Stumpf mit einem einzigen Ast. Vor etwa fünfzig oder sechzig Jahren, so genau weiß man es nicht, ist auch der verschwunden.

Herbstliche Sagen über Hünen- und Hügelgräber

Hünengrab © René Geyer

Über die Hügelgräber Rügens – früher wurden Großsteingräber und Hügelgräber Hünengräber genannt – werden heute noch Hünensagen erzählt, die uns immer wieder aufs Neue faszinieren. Und dies sind die bekanntesten Sagen zu diesen außergewöhnlichen Orten.

Der Riese von Jasmund

In alten Zeiten lebte auf der Halbinsel Jasmund ein Riese, der hieß Scharmak und hatte zu Koosdorf sein Schloss. Wenn er nun seine Geliebte besuchen wollte, die auf Rügen wohnte, musste er immer durch das Wasser waten. Nun, das gefiel dem Riesen nicht sehr. Er füllte also in der Stubnitz einen Sack voll Erde, um die See zuzuschütten, die ihn von seiner Geliebten trennte. So sind dort, wo er die Erde genommen hatte, „die Wiwergründe“ entstanden. Als er mit seiner Last unterwegs war, riss ein kleines Loch in den Sack und aus der durchgeschlüpften Erde entstand der Dobberworth, jenes mächtige Hünengrab bei Sagard. Als er weitergelaufen war und eine gute Strecke vorwärts kam, wurde der Riss immer größer, so dass alle Erde durchschoss. Daraus sind die heutigen Fährberge geworden. Mürrisch und unzufrieden ließ er von dem Vorhaben ab. 

Die Grabhügel von Prosnitz

Über den Himmel von Prosnitz wird nun folgende Sage erzählt: Auf der Feldmark des Gutes Prosnitz befindet sich eine kleine, mit Laubholz geschmückte Anlage, welche drei nahe beieinander gelegene Hünengräber umfasst. Diese werden im Volksmund Himmel von Prosnitz genannt. Dort, in dem mittleren Hügel, soll ein Herzog, der Letzte seines Geschlechtes, und in den anderen beiden Grabhügeln seine beiden Gemahlinnen begraben sein.

Das Hünengrab von Posewald

Auch bei dem bekannten Hünengrabe „Der Blocksberg“ bei Posewald wird Sagenhaftes berichtet: Östlich vom Gutshofe Posewald liegt ein Hünengrab, das “der Blocksberg” genannt wird. Dieser Name rührt daher, dass man sagte, in der Walpurgisnacht sollen alle Hexen aus der Umgebung herbeikommen und sich auf dem Hügel versammeln.

Der Fliederberg von Lonvitz

Bei Lonvitz liegt das Hünengrab „Fliederberg“. Seit vielen Jahren weiß man, dass es auf ihm nicht geheuer sein soll. Als einmal ein Mann aus Lonvitz am Fliederberg vorbeiging, befand er sich urplötzlich in einer Schafherde. Einem anderen Manne, der zur Nachtzeit nach Putbus gehen wollte, sah bei dem Hünengrabe einen Mann im schwarzen Mantel und eine Frau in einer weissen Kleidung miteinander tanzen. Nach der Mitternachtsstunde war aber plötzlich alles verschwunden. Andere Leute erzählten, dass des Abends die Katzen auf dem Fliederberg sitzen und dort Karten spielen sollen.

Das Hünengrab bei Lauterbach

An der Bahnstrecke Putbus – Lauterbach liegt ein Hünengrab, dass im Volksmund „de Adeborseek“ (die Storcheneiche) heißt. Aus der Mitte des Hünengrabes ist eine uralte Eiche gewachsen, auf der ein Storchennest steht. Heute steht die Eiche dort leider nicht mehr. Unter diesem Hünengrab soll seit alter Zeit ein mächtiger Schatz begraben liegen, der aber so tief in der Erde liegt, dass niemals ein Mensch ihn heben kann.

Hünengräber zur Totenbestattung bei den alten Rügianer

Als die Menschen auf Rügen früher noch nicht den Wissensstand über unsere Hügel- und Hünengräber hatten, erklärte man sich deren Entstehung auch in so mancher Sage.

Von den alten Wenden, welche früher auf Rügen gewohnt haben, wird erzählt, dass sie ihre Toten nicht einzeln, sondern immer in größerer Zahl, wenigstens aber paarweise beerdigt haben. Wenn dann jemand bei ihnen starb und es war nicht gleich eine zweite Leiche in der Familie oder im Dorfe vorhanden, so wurde der Leichnam über dem Herdfeuer aufgehängt und geräuchert, so dass er ganz zusammenschrumpfte beziehungsweise mumifiziert wurde. Auf diese Weise nun hielt sich der Leichnam Wochen und Monate lang, ja bisweilen Jahre lang. Es konnte so abgewartet werden, bis ein neuer Todesfall in der Sippe eintrat. Andere meinen, dass nicht die Wenden, sondern die steinzeitlichen Bewohner Rügens die Sitte des Leichenräucherns ausgeübt hätten.

Bei den Hünengräbern fanden dann zu Ehren der Verstorbenen drei Totenfeiern statt und zwar am 30., 60., und 100. Tage nach der Bestattung. Die Angehörigen versammelten sich am Grabhügel und schmausten dort und setzten auch dem Verstorbenen seine Portion ins Grab. Der Schlussstein der Grabkammer blieb so lange nur lose eingefügt. Aber nach dem 100. Tage wurde dann auch dieser endgültig eingesetzt und so befestigt, dass er nicht leicht herauszuheben war.

Die Hügelgräber von Buschvitz

Die sieben Hügel bei Buschvitz sind von sieben Riesen dahin getragen worden. Die Riesen haben die Lietzower Fähre zuschütten wollen und ihre Schürzen voll Erde gefüllt. Als sie aber an die Feldmark kamen, auf der später Buschvitz erbaut wurde, ist die Sonne untergegangen und da haben sie ihre Last nicht weitertragen können, sondern haben sie dort niederwerfen müssen. Daraus sind nun die sieben großen Hügel entstanden.

Spuk auf Wittow

© René Geyer

In der Nähe von Lankensburg auf Wittow, links vom Wege Wiek-Altenkirchen, liegt ein Teich, der wegen seiner vielen Spukgeschichten verrufen ist. Das ist der sogenannte „Kinnerdiek“. Vor vielen Jahren soll dort ein Mädchen ihr Kind umgebracht und sodann in den Teich geworfen haben. Dieser Teich erhielt daher den Namen „Kinnerdiek“ und an seinem Ufer geht es seit dieser Zeit um. Ein Schimmel ohne Kopf treibt dort am Ufer sein Unwesen und erschreckt die Wanderer, die des Nachts die in der Nähe vorbeiführende Landstraße benutzen.

Als eine Frau an einem Tage im Nebelmond von Altenkirchen nach Wiek ging, hörte sie in der Nähe des Kinnerdiek ein plötzliches und eigentümliches Rauschen, das etwa 5 Minuten andauerte. Es schien, als ob eine große Menge von Pferden im Galopp durch hochstehendes Getreide lief. Die Frau wusste, dass man sich nach dem Spuk nicht umsehen durfte. Diesen Rat befolgte sie jetzt auch und darum konnte sie nicht sehen, wodurch dieses Geräusch verursacht wurde. Aber plötzlich war das Rauschen dicht hinter ihr, stieg dann hoch in die Luft und verlor sich dann allmählich in der Ferne. Die Frau hatte die ganze Zeit ein beklommenes Gefühl, große Angst und war wie im Schweiß gebadet.

Wieder einmal gingen Vater und Tochter von Wiek nach Putgarten. Als sie sich der Lankensburger Feldmark näherten, kam ihnen der kopflose Schimmel entgegen. Die Tochter konnte ihn zwar nicht sehen, desto deutlicher aber sah ihn der Vater. Der Schimmel lief immer neben dem Weg her und hielt sich stets in gleicher Höhe mit den beiden Wanderern auf. Als sie an die Kreuzung kamen, wo links der Weg nach Gudderitz abgeht, war der Schimmel plötzlich verschwunden. Erleichtert atmeten sie auf, weil sie meinten, nun wären sie beide den Spuk los. Aber als sie Altenkirchen eben hinter sich gelassen hatten, war auch schon der Schimmel wieder da. Dieser trabte etwa zehn Schritte von ihnen entfernt durch den dort stehenden Hafer. Kurz vor Presenke verschwand er noch einmal wieder, aber dicht hinter diesem Gut war er auch wieder da. So ging es weiter bis sie beide nach Wollin herankamen. Inzwischen war es zwei Uhr morgens geworden und am östlichen Horizont fing das Frührot schon an zu dämmern. Dicht vor Wollin, wo der Weg nach Nobbin sich abzweigt, verschwand der kopflose Schimmel. Als der Mann nach Hause kam, sah er aus wie der Kalk an der Wand, der Angstschweiß stand noch auf seiner Stirn.

Untergang der Stadt Niniveh

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Von jeher erzählt man sich an den Küsten Geschichten über verschwundene Orte an der See. So auch die Sage von der Stadt Niniveh.

Zwischen der Insel Greifswalder Oie und der Insel Ruden hat eine Stadt gelegen, die Niniveh oder – nach anderen Überlieferungen – Vineta genannt wurde. In dieser Stadt wohnte ein übermütiges Volk. So hatte einst eine Frau, um trockenen Fußes über den Wasserlauf schreiten zu können, aus viel Übermut Brot hineingeworfen, so dass es unseren Herrgott verdross. Er hat daraufhin sieben Jahre lang Ostwind wehen lassen und so ist Thiessow vom Ruden und der Ruden vom Pommerschen Festlande losgerissen worden. Auch der Zicker vom Vilm und der Vilm vom Putbuser Lande ist abgerissen worden und die sündige Stadt ist mit allem, was an Herrlichkeit da drinnen war, abgesoffen und untergegangen. Jedoch wurde beim Untergang der Stadt einer gerettet, weil dieser immer gottesfürchtig war. In der Nacht, als der Mann schlief, zupfte es ihn an den Zehen und eine Stimme rief: „Komm mit!“ So ist der Mann aufgestanden und hinausgegangen. An der Tür seines Hauses hat ein Schimmel gestanden. Als er sich auf diesen geschwungen hatte, ist er schnell weggeritten. Während er vorwärts geritten ist, haben die großen Wasserwogen hinter ihm hergestürmt. Dieser Mann konnte aber entkommen und von ihm stammt das Volk ab, das jetzt auf Mönchgut wohnt. Erst viel später haben die Fischer die Glocken der verschwundenen Stadt Niniveh aus der Tiefe gezogen und diese Glocken sind es, die noch heutigentags in der Middelhagener und in der Krösliner Kirche hängen. Alle Beide, so sagen die Leute, haben einen absonderlichen Klang.

In stürmischen Nächten oder auch an Tagen, an denen die stürmische See an die Küsten peitscht, erinnern sich die Küstenbewohner auf Rügen an die Stadt Niniveh. Die einfachen Leute in den Fischerdörfern erzählen die Geschichte dieser Stadt den Kindern und Enkelkindern, die staunend den Geschichten zuhören, aber auch angehalten werden sollen, ein fleißiges und einfaches Leben zu leben.

Drei Geschichten über Hellseherei

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Noch heute berichtet man über Leute mit der besonderen Gabe, Dinge vorauszusehen. Diese drei Geschichten werden besonders häufig erzählt.

1. Der Hellseher von Wittow

Ein Mann von Wittow, der aus der Stubnitz Holz geholt hatte, hielt im Dorfe Hagen am Hause eines Bauern an. In dem Augenblick sah er – niemand weiter hat es sehen können – wie ein Kind eilends aus dem Hause gerannt kam und auf dem Weg nach Sagard verschwand. Der Fremde erschrak sichtlich und erkundigte sich, ob jemand im Dorfe krank geworden sei. „Nein“, lautet immer die Antwort. „Und doch“, setzt er hinzu, „wird heut hier noch jemand sterben!“ Und an diesem Tage ward nun das Kind des Bauern an der Bräune krank und vor dem Abendrot eine Leiche. Dieser Mann hatte die Gabe vorauszusehen und hinterdrein hat er erzählt, was er an diesem Tage sah.

2. Die Musikkapelle von Trent

Hier wird nun berichtet von der Vorherverkündung eines Todesfalles: In Trent gab es vor vielen, vielen Jahren eine Musikkapelle aus einem Schuhmacher, einem Weber und seinen Gesellen. Eines Tages spielten sie auf einer Hochzeit in Trent auf, wo es sehr lustig zuging. Doch plötzlich wurde der Schuhmacher kreideweiß im Gesicht und ohne ein einziges Wort zu sagen stand er auf und ging von dannen. Als er nach Hause gekommen war, erzählte er, er sah mitten in dem frohen Hochzeitsjubel plötzlich einen Leichenzug vorüberziehen. Und in dem Sarge habe er seinen Kameraden, den Weber, liegen sehen. Man versuchte nun dem Schuhmacher einzureden, er habe sich wohl getäuscht, jedoch ließ er sich nicht dazu bewegen, zur Hochzeit zurückzugehen und weiterzuspielen. Zwei Tage später wurde der Weber krank und verstarb auch schnell danach.

3. Die Frau in Trent, die Tode voraussah

Leute, die zu gewissen Zeiten im Jahr geboren werden, können mehr sehen als andere Menschen. So auch eine Frau im Witwenhaus zu Trent. Sie wusste immer acht Tage vorher, wenn jemand starb, auch wenn der Betreffende nicht in dem Kirchspiel wohnte. Nun befindet sich in Trent das Erbbegräbnis einer alten, adeligen Familie, welche ihren Wohnsitz in Putbus hat. Starb ein Mitglied der Familie, so wird die Leiche jedes Mal nach Trent geschafft und im dortigen Gewölbe beigelegt. So oft nun aber ein solcher Fall eintrat, sagte die Alte regelmäßig einige Tage vorher zu dem Küster: „T kümmt bald wat äwer Land, un`t is`n bäten mihr as all`Dag!“ Wenn man sie fragte, wie sie das wohl voraussagen könne, gab sie stets unbestimmte oder auch ausweichende Antworten. Nur ein einziges Male hat sie jemandem, der sie danach fragte, geantwortet, dass es ihr zu Füßen läge wie ein Maulwurfshaufen.

Vier Sagen über Tierdämonen

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Man erzählt sich noch heute über Tiere Sagenhaftes. Doch diese Tiere sind keine gewöhnlichen, sondern gehören fast schon zu den dämonenhaften Tieren und dementsprechend sind diese Sagen auch manchmal etwas schaurig.

1. Der Roggenwolf

Schon unsere altvorderen Bauern berichten von dem gefräßigen „Roggenwolf“. Wenn das Korn reif ist zum Mähen und die Schnitter daran gehen, in den Schlag „einzuhauen“, müssen sie sich vor dem gefräßigen Roggenwolf in Acht nehmen. Dieser soll ihnen allerlei Schabernack spielen, aber besonders gern die Frühstücks- oder Vesperbrote, die sie während der Arbeit sicher verborgen glaubten, verzehren. Nur wenn der ganze Schlag abgemäht ist, räumt der „Roggenwolf“ das Feld. Wo er dann aber bleibt, das weiß kein Mensch anzugeben. Der Roggenwolf – so sagen die Leute – sei außergewöhnlich gefräßig und diese seine Sucht ist sogar sprichwörtlich geworden. Denn man pflegt von jemandem, „de recht niedsch ett“ (neidisch, d.h. gierig isst), zu sagen: „he frett as´n Roggenwulf“. Ebenso heißt es von jemandem, der „lud´Hals´weent“ (heftig weint): „He brüllt as´n Roggenwulf“ oder „he roart as´n Roggenwulf“.

2. Der Lindwurm von Rambin

Eine andere Sage berichtet über einen Lindwurm Folgendes: Vor Rambin ritt einst ein Edelmann aus der Umgebung spazieren. Nun kam ein gewaltiger Lindwurm auf ihn zu und versuchte seinen „Angel“ dem Pferd in die Brust zu bohren. In seiner Not flehte der Edelmann zu Gott und gelobte, wenn er von dem Untier befreit würde, so wolle er an der Stelle ein Kloster erbauen. Er ergriff einen Dolch und als der Lindwurm nahe genug herangekommen war, traf er ihn so glücklich, dass das Untier tot zu Boden fiel. Zum Danke für diese Errettung und um nun sein Gelübde zu erfüllen, ließ er dann das noch jetzt stehende Rambiner Kloster erbauen.

3. Die Schlangen von Schoritz

Bei Schoritz erzählt man sich folgende Begebenheit: Ein paar mächtige, goldige Schlangen oder Wasserschlangen sollen zu Schoritz in einem großen Teich hinter der Scheune gehaust haben. Gelegentlich haben sie dann die Milch von den Kühen gesogen.

4. Eine Hexe als dreibeiniger Hase

In der Nähe von Teschvitz bei Gingst zeigte sich vor einer Reihe von Jahren zuweilen ein zahmer Hase. Besonders häufig erschien er zu der Zeit, wo die Mädchen zum Melken der Kühe gingen. Sobald sich ein Mädchen zum Melken hingesetzt hatte, kam er ganz nah heran und berührte mit seiner Schnauze die Kuh. Diese wurde dadurch aber so wild, dass sie sich nicht melken lassen wollte. Die jungen Mädchen beklagten sich deshalb mehrmals bei ihrem Herrn und dieser beschloss, den Hasen abzuschießen. Das gelang aber nicht, denn sowohl er als auch der Wirtschafter schossen immer vorbei. Endlich wurde eine alte Frau zu Rate gezogen. Die sprach: „Sull’t ok woll’n Dreebeenigen sin? Denn nützt juch dat Scheeten niks.“

Nun gab man genauer Acht und sah dann auch wirklich, dass der Hase nur drei Beine hatte. Also musste es eine Hexe sein, welche sich immer in Hasengestalt verwandeln konnte. Bald lenkte sich der Verdacht auf eine alte Frau, welche im Konitzer Katen wohnte.

Eines Mittags begab sich der Herr nach dem Hause dieser Frau, fand sie aber nicht Zuhause. Da versteckt er sich in der Wohnung, um abzuwarten, ob er die alte Hexe nicht überführen könnte. Er brauchte auch nicht lange zu warten, denn bald darauf hüpfte der Hase wohlgemut über die Schwelle des Hauses und verwandelte sich allmählich wieder in die alte Frau.

Nun stellte der Herr sie zur Rede und sie gestand dann auch, dass sie eine Hexe sei, aber sie sagte, sie könne nicht anders. Sie habe sich schon als kleines Kind in einen Hasen verwandeln müssen. Die Verwandlung geschehe vermittels eines Riemens, den sie geerbt habe. Nach diesem Geständnis musste die alte Hexe schleunigst die Wohnung verlassen und sie hat sich in der Gegend auch nie wieder sehen lassen.

Wie entstand die Insel Vilm?

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Durch den selben starken Orkan, welcher einst die reiche Stadt Vineta vernichtete, wurde der Vilm, welcher damals noch mit dem Hauptteil Rügens verbunden war, von demselben losgerissen. Zuerst entstand ein sehr schmaler Wassergraben, auf dem die Altvorderen auf hineingeworfenen Pferdeschädeln hinüberschreiten konnten. Das war so in der Gegend zwischen der Goor und der äußeren Nordspitze des Vilm. Mit der Zeit wurde der Wasserarm aber immer breiter.

Eines schönen Tages waren nun die Bewohner der Insel Vilm nach Vilmnitz zur Kirche gegangen. Als nun aber die Leute von dort nach Hause zurückkehren wollten, hatte eine Flut die Landzunge durchbrochen und es war eine breite Öffnung entstanden. Schnell kehrten sie um, kauften sich für einige Zeit eine große Menge an Brot und Semmeln und kamen dann noch gerade rechtzeitig wieder zu der Durchbruchstelle. Sie schritten hastig über das Wasser, das breiter und tiefer wurde. Von diesem Tage an wurde diese Landzunge immer weiter fortgespült. Inzwischen ist das Wasser zwischen der Nordostseite des Vilm sowie der Küste Rügens über einen Kilometer breit.

Auf jener Insel Vilm existierte in katholischer Zeit eine Kapelle. Nach der Reformation blieb diese Kapelle unbenutzt und wurde im 18. Jahrhundert gänzlich abgebrochen. Über das Warum erzählt man sich heute noch: Eine Kuh habe sich einst in das Innere der Kapelle verirrt und dann sei die schwere Tür hinter ihr in das Schloss gefallen. Da aber die Insel Vilm zu diesem Zeitpunkt unbewohnt war, so habe die Kuh nicht wieder herauskommen können und verhungerte. Wegen dieses Ereignisses sei dann die Kapelle gänzlich abgebrochen worden.

Sage über den wilden Jäger von Rügen

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Unter den mythischen Sagengestalten nimmt der sogenannte „Wilde Jäger“ oder auch „Wode“ genannt, was wiederum von Wotan kommt, einen großen Raum ein. Auch ist er überall auf der Insel anzutreffen.

Vor einer sehr, sehr langen Zeit gab es einen mächtigen Fürsten und dieser soll große Wälder und Burgen, Schlösser und Dörfer besessen haben. Am meisten liebte er die Jagd und lebte daher mehr in seinen Wäldern als auf seinen Burgen und Schlössern. Da er aber eines jähen und wütenden Gemütes und ein rechter Zwingherr war, ging er mit seinen Untertanen auch so um. Man erzählt sich, er habe einen Knaben, der sich in seinen Wald verirrte, auf einen weißen Hirsch gebunden und beide so durch den Wald getrieben, bis beide sich zu Tode stürzten. Für solche gräulichen Taten hat der ungeheure Mann dann endlich auch seinen Lohn bekommen müssen. Er stürzte sich eines Tages mit seinem Pferd bei der Jagd zu Tode. Seine Strafe sollte sein, dass er nach dem Tode im Grabe keine Ruhe finden würde, sondern die ganze Nacht – ob Sommer oder Winter – von Mitternacht bis eine Stunde vor Sonnenaufgang wie ein wildes Ungeheuer jagen muss.

Besonders in den stürmischen Nächten hört man sein fürchterliches Getose und Geheul mit seinem Ruf: “Wod! Wod! Hallo! Hallo! Halt den Mittelweg! Halt den Mittelweg!” Er soll gar fürchterlich anzusehen sein und auch fürchterlich ist sein Gefolge. Er ist ein hagerer Mann in eiserner Rüstung, wobei Zorn und Grimm in seinen Augen funkeln. Sein Pferd ist ein schneeweißer Schimmel aus dessen Nüstern Funken sprühen. Immer geht es im Galopp und er ist vorne übergebeugt. In der Rechten hält er eine lange schwarze Peitsche, mit der er sein Wild aufjagt und um ihn herum ist eine große Meute schwarzer Hunde, die ein fürchterliches Getose und Geheul von sich gibt.

Man erzählt sich, er müsse durch wilde Wälder und öde Heiden reiten, denn in der Mitte der ordentlichen Straßen und Wege darf er nicht reiten. Was erjagt nun der Wilde Jäger? Unter den Tieren, so berichtet man, das diebische und räuberische Gesindel, das nachts auf Mord und Beute schleicht. Unter den Menschen Mörder, Diebe, Räuber, Hexen und Hexenmeister und alles was von dunklen und nächtlichen Künsten lebt. So hält er, wie die Leute sagen, die Straßen rein, denn wehe dem, den er bei nächtlichem Raubzug auf verbotenen Schleichwegen oder im Walde antrifft und der nicht reinen Gewissens ist! Dann muss dieser Bösewicht nach seinem Tode gewissermaßen wieder gut machen, was er zu Lebzeiten Böses getan hat. Wenn irgendwo Sturm aufkommt, so sagt man, ist der Wilde Jäger nicht weit!

Der Wilde Jäger ist auf Rügen z.B. zwischen Zirkow und Hagen, in der Granitz, in der Garzer Heide, bei Binz am Schmachter See, bei dem Dorfe Kasnevitz, bei Neuenkirchen, bei Lankensburg auf Wittow sowie auf Mönchgut lokalisiert. Diese Liste ließe sich auch noch fortführen. Überall dort jagt und erschreckt er Mensch und Tier mit seinem Auftreten.

Ein Schäfer verrät die Unterirdischen

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In der Nähe vom Dorf Zirkow liegt ein kleiner Berg, in dem die Unterirdischen zu Haus sind. Dereinst hütete dort ein Schäfer seine Herde. Da kroch plötzlich einer von den kleinen Leuten aus einem Erdloch heraus und rief einem anderen, der sich noch im Berge befand, zu: „Schmit den Hod ruth!“ Der andere rief zurück: „Is wider nix hir as Großvaders Hod!“ „Na“, versetzte der erste, „denn schmit den rut!“ Kaum hatte er dies gerufen, flog auch schon ein großer Hut aus dem Berge heraus. Der Schäfer hatte aber alles genau beobachten können und noch bevor der Unterirdische zugreifen konnte, schnappte er ihm den Hut weg und setzte ihn sich selber auf den Kopf. Zur Mittagszeit trieb der Schäfer heim und trat in die Gesindestube. Alle Knechte saßen schon beim Mittagsmahl. Aber keiner sah den eintretenden Schäfer, denn der Hut der Unterirdischen machte ihn unsichtbar. Zu seinem Erstaunen aber erblickter der Schäfer etliche Zwerge, die immer zwischen zwei Knechten saßen und wacker zulangten. Daher war das Essen immer so schnell alle zur Mittagszeit, worüber sich alle immer so gewundert hatten. Als dann aber plötzlich einer der kleinen Kerle noch zum Bratenteller griff und sich ein ordentlichen Stück Fleisch herunterschneiden wollte, konnte der Schäfer seinen Ärger nicht mehr anschalten und rief den Knechten zu: „Johann! Sist du nich, dat de Söll di dat Flesch wech nimmt?“ Das machte die Unterirdischen stutzig, denn sie sahen sich verraten. Einem von Ihnen, der wohl ihr Ältester sein musste, rief den anderen zu: „Pust em dat Licht ut! Pust em dat Licht ut!“ Einer der kleinen Leute sprang auch sofort auf und hauchte dem Schäfer in die Augen. Von Stund an war er blind und blieb es auch sein Leben lang. Die Kappe hat er auch nicht behalten, denn einer der Kleinen hatte sie ihm vom Kopfe gerissen. Das hatte nun der Schäfer davon, dass er die Unterirdischen verriet!

Die Taufe am schwarzen See

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In der Granitz, in stiller und ruhiger Waldeinsamkeit, liegt der sagenumwobene Schwarze See. Ein Dienstmädchen will nun um das Jahr 1817 die folgende Begebenheit erlebt haben: „Ich ging“, berichtete sie, „einmal mit mehreren Frauen und Mädchen meines Heimatdorfes nach der Granitz, um Heidelbeeren zu sammeln. Um die Mittagszeit, wo wir in der Gegend des Schwarzen Sees waren, setzten wir uns unter eine Buche, um unser Mittagsmahl zu halten. Da stieg uns plötzlich der Geruch von frischem Brote in die Nase. „Wer hat hier frisches Brot?“, fragten wir einander, doch keiner von uns hatte etwas bei sich. Noch während wir darüber sprachen gewahrten wir ein kaum eine Elle hohes Männchen nicht fern von uns vom Fuße eines Hügels kommend auf den See zugehen. Nicht lange darauf folgte ein weiteres Männchen, dann noch eines und noch eines. Einer von ihnen trug etwas und neben ihm liefen drei weiter Männchen mit ihren Frauen. Alle gingen sie nun an den See. Was sie dort aber machten, konnten wir nicht sehen, da wir uns vor Erstaunen nicht von der Stelle rühren konnten. Es verging eine Viertelstunde und dann kam der Zug der kleinen Leute in der gleichen Ordnung vom See wieder zurück und verschwand dort aus unseren Augen. Erschrocken von diesem Erlebten liefen wir zur Wohnung des Försters, dem wir die Begebenheit schilderten. Der Förster sagte uns, dies seien die Unterirdischen gewesen, die eines ihrer Kinder am Schwarzen See getauft hätten.“

Geheimnisvolle Wintersagen von Rügen

In der dunklen Jahreszeit erzählt man sich auf Rügen gern Märchen und Geschichten, die von wundersamen Begebenheiten handeln. Sie sind zeitlos und begeistern Kinder und Erwachsene auf gleiche Weise. Wir entführen Euch in die geheimnisvolle Sagenwelt der Insel Rügen.

Geschichten über besondere Gestalten

Rügens schöne Sagenwelt

Ob Gassen oder Ecken, Häuser, Felder oder auf weiter Flur: Überall trifft man auf Rügen geheimnisvolle Gestalten wie in den folgenden Sagen berichtet wird.  

Der Nachtjäger auf dem Bakenberg auf Wittow

Auf dem an der Nordküste der Halbinsel Wittow gelegenen Bakenberg hat der Nachtjäger sein altes Revier. Dort jagt er oft des nachts mit seinem Gefolge und verursacht dabei ein so lautes Getöse, dass es weithin zu hören ist. Wenn sich nun ein nächtlicher Wanderer seinem Revier nähert, so ruft ihm der Nachtjäger mit sehr schauerlicher Stimme zu: “Hiho, Hiho! Holl den Middelweg! Denn bieten di mine Hunn´ nich” (dann beißen dich meine Hunde nicht).

Ein alter Mann mit dem Namen Schwarz, der vor etwa 50 Jahren in Starrvitz lebte, hatte den Nachtjäger des Öfteren beim Bakenberg gesehen. Er berichtete, der Nachtjäger habe jedes Mal auf einem Schimmel gesessen, der aus seinen Nüstern Feuerfunken blies und vor ihm auf dem Pferd lag ein Frauenzimmer mit lang herabhängendem Haaren. Das war ganz klar und deutlich zu sehen, weil über und hinter dem Nachtjäger ein helles Licht sichtbar war.

Der Nachtjäger zieht durch die Häuser in Lonvitz

In Lonvitz wohnte vor vielen Jahren eine Bäuerin, Niejorsch genannt. Ihr Wohnhaus war noch eines von den alten Bauernhäusern, in denen Vorder- und Hintertür einander gegenüber, am Eingang und Ausgang der Diele lagen. Nach Sonnenuntergang hielt sie stets eine der beiden Türen geschlossen. Wenn sie darüber befragt wurde, warum sie das täte, sagte sie: sie wolle dadurch verhindern, dass der Nachtjäger durch ihr Haus zieht. Der Nachtjäger habe stets eine große Meute von Jagdhunden bei sich und wenn er durch ein Haus zieht, könnte sich doch der eine oder andere große Hund in die eine oder andere Ecke oder den Winkel des Hauses oder sogar unter die Schränke und Betten festlaufen. Sobald aber der Nachtjäger erst einmal durch ein Haus hindurchgezogen sei, so kehre er immer wieder. Selbst wenn er das Haus verschlossen vorfände, jage er Nacht für Nacht um jenes Haus herum. Kein Mensch könne aber dann vor dem Lärm und Spektakel seine Ruhe finden.

Auf Rügen gibt es in allen Inselteilen Sagen von einem kleinen Hausgeist, der hier „Puk“ genannt wird und die Größe einer Kaffeemühle oder eines etwa zwei Jahre alten Knaben hat. Alle Kleidung am Puk, selbst seine Mütze, ist aus rotem Stoff.

Der kleine Hausgeist „Puk“

Dieses kleinen Hausgeistes Puk kann man sich auf folgende Weise annehmen: Wenn der Puk sich im Hause durch Klopfen und Poltern meldet, so spreche man folgende Worte: „Wat is din Begehr? Wisst bi mi in Arbeit, denn kumm her!“ Dann bleibt er bei einem in seinen Diensten. Will man ihn später loswerden, so lässt man ihm eine neue rote Jacke machen, dann nämlich geht er mit dieser für immer fort.

Über das Wesen eines „Puks“

Wer einen Puk in seinen Diensten hat, braucht keine Not zu leiden. Denn der selber trägt seinem Herrn so viel Geld zu, als er nur irgend braucht und wünscht. Selten kommt es aber vor, dass er seinen Herrn anführt, wenn er ihm z. B. statt Geld ekelhaften Schmutz bringt. Wenn aber der Puk auf Raub ausgeht, so hat er entweder die Gestalt einer Katze oder er geht als Feuerdrache zum Schornstein hinaus. Die Katzengestalt zieht er aber vor, da die Katze überall, selbst durch die noch so kleinsten Öffnungen aus- und einschlüpfen kann. Im Haus zeigt sich der Puk meistens als kleiner Knabe mit roter Jacke und Mütze. Einen Puk verschafft man sich unter anderem dadurch, dass man in der Neujahrsnacht über sieben Feldgrenzen rückwärts geht, ohne sich dabei einmal umzudrehen und zu sprechen.

Wer diesen Puk wieder loswerden möchte, muss von einem Stiefel die Sohle abschneiden und dem Puk befehlen, diesen Stiefel mit Geld zu füllen. Sobald jedoch der Puk merkt, dass er jene Aufgabe nicht erfüllen kann, verlässt er seinen Herrn. Diejenigen, welche sich solch einen Puk dienstbar gemacht haben, sollten jedoch stets darauf achten, dass der Puk genügend Arbeit hat, die er für seinen Herrn verrichten soll. Sonst kann es geschehen, dass er fortwährend von ihm geplagt wird. Der Puk sitzt dann unsichtbar auf dem Rücken seines Herrn und prügelt auf ihn ein oder zerzaust ihm das Haar. Selbst in der Nacht lässt er seinem Herrn keine Ruhe, sondern kommt vor sein Bett, winselt wie ein kleiner Hund und möchte mit in das Bett.


Über Spukerscheinungen und Irrlichter

Spuk und Irrlichter

Überall auf der wunderschönen Insel Rügen kennt man Sagen über Spukerscheinungen aber auch Irrlichter, die hier und da auflodern und flackern. Gerade in der dunkleren Jahreszeit wurden solche Sagen am Abend von den älteren Dorfbewohnern den Kindern oder Enkeln erzählt.

Der erlöste Spuk

So auch diese Geschichte: Einige Männer waren auf dem Wege von Gingst nach Trent unterwegs. Als sie an einem Kreuzweg angelangt waren, fanden sie dort etwas Weißes liegen. Einer der Männer hob nun jenes Weiße auf, doch plötzlich hing es wie eine Zentnerlast auf seinem Buckel. Er musste diese Last bis kurz vor Trent tragen. Dort angekommen, sprang die Last von seinem Rücken ab und vor dem Mann und seinen Begleitern standen plötzlich ein Knabe und ein Mädchen in weißen Gewändern. „Du hast uns nun erlöst“, sagten sie und kaum ausgesprochen, waren sie weg.

Der Feuerwagen zu Silvester

Über die Wreechener Tannen sieht man den Feuerwagen zwischen 0 und 1 Uhr mit feurigen Pferden bespannt hinwegfahren. Die Leute, die diese Erscheinung gesehen haben, sagen immer wieder, dass es dabei ganz stille und lautlos zugegangen sei.

Irrlichter bei Sagard

Auf dem Hügelgrab Dobberworth sieht am Abend ein Schuster ein Feuer brennen und um dasselbe herum sieht er es laufen und „spallunken“. Er rief nun seine Nachbarn, aber als sie wieder an dem Hügel angekommen waren, war der Spuk vorbei und das Feuer erloschen.

Irrlichter am Selliner See

Auf dem Selliner See sind die Irrlichter zu sehen. Hart an der Baaber Bek liegt eine kleine Insel, „Der Wardel“ genannt. Dort sieht man besonders in der Herbstzeit die Irrlichter viel hinübergehen. So soll dort, wo sie gesehen, noch ein Ereignis geschehen. „Wo dat passiert, passiert ook noch mihr“, sagen die Leute und gemeiniglich verunglückt dort im nächsten Winter jemand.

Irrlichter auf Wittow

Irrlichter, so glaubt man, sind die Seelen von ungetauften Kindern oder von Erwachsenen, die eines gewaltsamen Todes durch Mord oder Selbstmord starben sowie von ertrunkenen Seeleuten. Auf der Feldmark von Starrvitz auf Wittow sieht man in schönen Sommernächten oft Hunderte von diesen Irrlichtern über die feuchten Wiesen, den Sumpf und das Moor dahinhuschen. Jedoch zeigen sie sich oft bei den zu Starrvitz gehörenden Katen, die den Namen „Hürngraben“ tragen. Dort spukt es oft und man glaubt, dass das mit den Irrlichtern zusammenhängt. Einst ging eine Frau nun von Starrvitz nach Banz. Unterwegs liegt ein Grund und aus diesem trat ihr plötzlich ein großes, dunkles Ungetüm entgegen, das allmählich immer größer wurde. Zuletzt sah es aus wie eine Kuh mit zwei großen Hörnern. Nach einer Stunde ging die Frau den Weg wieder zurück, doch das Ungetüm stand immer noch da.


Über Riesen und die Entstehung von Hünen- und Hügelgräbern

Siegessteine in Stresow

Früher glaubte man, dass die ganze Insel von Riesen bewohnt gewesen war, die mächtige Kräfte besaßen und die größten Felsblöcke spielerisch von einer Stelle zur anderen bewegten.

Rügen hat neben seiner landschaftlichen Schönheit auch noch kultur- und frühgeschichtliche Besonderheiten zu bieten, wie sie nirgendwo sonst in einer so konzentrierten Dichte zu finden sind – die Hünen- und Hügelgräber. Der Volksglaube brachte zu dieser Thematik etliche Sagen zustande. Diese Gräber könnten nur von Riesen gebaut worden sein, so glaubte man früher. So wird erzählt, dass alle hundert Jahre die Hünen aus den Gräbern auferstehen, sich auf die Berge stellen und überschauen, wie es in der Welt aussieht.

Riesin am Hügelgrab Dobberworth

Zu dem Dobberworth südöstlich von Sagard, dem größten norddeutschen Hügelgrab, gibt es Folgendes zu berichten: Vor unendlichen Zeiten hauste auf Jasmund eine mächtige Riesin, die sich zu ihrer Zeit einem Fürsten von Rügen zur Gattin antragen ließ. Man weiß nicht, ob aus Zuneigung oder um ihre Macht zu erweitern. Der Fürst schlug jedoch diese ungeheure Ehre aus. Zornig und erbittert darüber drohte nun die Riesin mit Gewalt, um sich des erlittenen Schimpfes zu rächen. Sie zog ihre Kriegsleute zusammen. Um diese über das schmale Wasser des Jasmunder Boddens bei der Lietzower Fähre nach Rügen hinüberschaffen zu können, befahl sie, die Meerenge mit Sand auszufüllen. Dabei legte sie selbst Hand an. Doch schon der erste Versuch scheiterte kläglich. Kaum war sie mit einer großen Ladung Sand und Steine bei Sagard angekommen, zerriss der große Sack oder andere meinen ihre Schürze, in welcher sie die Erde und Steine trug. Und so sei nun der Dobberworth entstanden. Die Riesin, die das als eine böse Vorbedeutung ansah, wurde mutlos und gab ihren Plan auf.

Riesen auf Wittow

Auf Wittow bei Nobbin steht ein großes Hünengrab. Die Steine, so heißt es, die den Nobbiner Steinkreis bilden, sind von einer Riesin in der Schürze vom Strande auf das hohe Ufer hinaufgeschleppt worden. An der Schürze sollen seidene Fäden als Bänder gehangen haben. Andere meinen, die Steine sind von Riesen an seidenen Fäden dort hinaufgetragen worden. Auch für das Riesengrab bei Alt Mukran waren einst, so glaubte man, Riesenhände am Werk. Eine Riesin hat hier ihre beiden Kinder begraben, die durch ihre Sorglosigkeit ertrunken waren. Deshalb, so sagt man, stehen auch zwei mächtige Steine am Westende des Grabes, wovon der eine jetzt in die Erde gesunken ist, der andere auf der Kante steht, und vier Ellen in der Höhe misst.

Der Riese bei den Stresower Siegessteinen

Über ein ganz besonderes Großsteingrab, welches an einem der meistgenutzten Wanderwege im Biosphärenreservat Südost-Rügen liegt, wird nun Folgendes berichtet:

Am Fuße der Stresower Hügel stehen in einer Ebene mehrere Gruppen von Steinkegeln, welche heutzutage freilich arg zerstört sind. Diese Steine heißen Siegessteine oder wie der Volksmund sagt „de Zägensteen“. „Zägensteen ward dorto seggt, äwer Siegssteen ward dat schräben“ erklärte ein alter Waldwärter aus Süllitz.

Die Putbuser sollen an dieser Stelle einst in einem heftigen Kampf mit dem Mönchguter Volk gestanden haben und nach diesem Kampf soll die siegende Partei diese Steine als Siegesdenkmal errichtet haben. Andere Leute berichten, dass es Riesenweiber waren, die den Siegern dieses Kampfes Beistand geleistet und die großen Steine dahin gebracht und aufgestellt hätten. Der Grund für diese Auseinandersetzung war eine uralte Fehde. Denn die Putbuser und die Mönchguter lagen von jeher miteinander in Zwist und Hader. Aus jener Zeit soll auch der Name „Poken“ herstammen, womit die Bürger von Putbus ihre Feinde – die Mönchguter – spottweise belegen und bis auf den heutigen Tage bezeichnen. Bedienten sich doch dieselben im Kampfe langer sehr scharfer Messer, welche eben „Poken“ hießen. Die Mönchguter hingegen bezeichnetet die Putbuser mit dem Schimpfnamen „de Kollen“, da die Putbuser mit Kollen, das sind Streitkolben, bewaffnet waren. Auch dieser Name ist bis heute geblieben. Demzufolge bezeichnen die Mönchguter alle Rüganer, welche nicht auf ihrer Halbinsel geboren sind, mit diesem Worte.

Bei den „Ziegensteinen“ eigentlich „Siegessteine“ genannt, wankt nun bis auf den heutigen Tag ein großer mächtiger Riese mit auffallend großem Kopfe umher. Dem Wanderer, der zu den „Siegessteinen“ läuft, dem kommt der Riese entgegen, begleitet ihn ein Stück des Weges ohne dabei auch nur ein einziges Wort zu sagen, um dann bei den Steinen wieder zu verschwinden.


Schatzsagen

Schatzsagen

Im Wald, am Strand oder auf dem Feld: Wo liegt der Schatz verborgen? Auch diese Form der uralten Sagen werden auf Rügen seit Generationen weitergeben.

Der brennende Schatz zu Nadelitz

Ein Besitzer von Nadelitz sah eines nachts um 12 Uhr vor dem Torweg seines Gutes ein Feuer glühen. Schnell weckte er einen seiner Knechte und nachdem dieser einen Spaten genommen hatte, fingen sie an das Feuer auszugraben, denn sie wussten wohl, dass das glühende Feuer einen in der Erde verborgenen Schatz anzeige und diesen wollten sie heben. Bald erschienen allerlei Gestalten, welche die beiden nun zum Sprechen bringen wollten. Sie ließen sich aber nicht dazu verleiten, um nicht das ganze Unternehmen scheitern zu sehen. Endlich war die Arbeit vollendet und eben wollten sie das Feuer ausheben, da schien es plötzlich, als ob der ganze Hof in Flammen stünde. Voller Schrecken rief der Herr aus: „Ach, min Söhn!“ Denn sein Sohn befand sich im Wohnhause. Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da versank das Feuer mit furchtbarer Wucht tief in die Erde, so dass ihnen der Schmutz um die Ohren flog.

Der dänische Kriegsschatz bei Silenz

Durch das Gefecht bei Warksow hatte der schwedische Feldherr Graf Königsmark die verbündeten Dänen und Brandenburger vollständig besiegt. Die Dänen suchten nach Wittow zu entkommen, um von hier zu Schiffe weiter zu fliegen, aber sie wurden von den nachsetzenden Schweden hart verfolgt. Als sie bis Silenz gekommen waren, waren die Feinde ihnen so dicht auf den Fersen, dass sie an ein Entkommen nicht mehr denken konnten. Die flüchtigen Dänen führten aber einen bedeutenden Kriegsschatz mit sich und um denselben nicht in die Hände der Feinde gelangen zu lassen, versenkten sie ihn in dem Teich, welcher hinter dem Dorf Silenz hart an der alten Landstraße BergenWittow liegt. Ob der Schatz aber je wieder ans Tageslicht gekommen ist, davon gibt nun die Sage keine Kunde.

Schatz, der wie Kohlen brennt

Ein im Jahre 1803 geborener Arbeiter bei Putgarten berichtete aus seiner Jugend und erzählte Folgendes: Ich diente als Junge bei einem Bauern in Putgarten. Dem Bauern ging es ziemlich dürftig, denn sein Vieh war mager und die Gebäude ziemlich baufällig. Außer mir dienten noch zwei Knechte und drei Mägde auf seinem Hofe. Eines Abends war ich in der Leutestube eingeschlafen und die Knechte und Mägde gingen zu Bett ohne mich aufzuwecken. In der Nacht wachte ich von selber auf und als ich mich dann etwas ermuntert hatte, sah ich plötzlich nebenan in der Küche ein helles Lichtlein brennen. Ich aber dachte, es wären die Mägde, die vielleicht etwas länger aufgeblieben wären, um sich noch ein Stück Zeug auszuwaschen. Und da kam mir ein Gedanke: „Die Mädchen sollst du einmal recht erschrecken.“ Ich schlich mich also leise an die Küchentüre heran. Aber wie erschrak ich, als ich in die Küche hineinblickte! Da saß auf der Erde ein kleiner Mann mit einem großen Hute und rührte mit einem Stocke in der vor ihm liegenden Kohle. Doch je mehr er rührte, desto heller wurde das Feuer und desto mehr loderten die Flammen in die Höhe. Da wurde mir ganz gräßig zumute und ich sprang aus dem Flurfenster auf den Hof. Dort lag aber gerade der Kettenhund. Dieser erschrak und packte mich an einem Bein. Im ersten Augenblick dachte ich, der Düwel habe mich am Hacken. Aber dann beruhigte ich den Hund wieder und ging in die Haubuß, wo mein Bett stand. Im Bett überdachte ich mein Erlebtes und merkte, wie dumm ich doch gewesen war, denn hätte ich meine Mütze oder irgendeinen anderen weichen Gegenstand in die Kohlen geworfen, so hätte ich am anderen Morgen einen großen Schatz einheimsen können. Aber noch dümmer war es, dass ich mein nächtliches Erlebnis am anderen Morgen dem Bauern erzählte. Der Bauer nämlich hatte sich die Sache zunutze gemacht und den Schatz gehoben. Nach einiger Zeit war nämlich Geld in Hülle und Fülle vorhanden, die Gebäude wurden nach und nach neu aufgeführt sowie neue und starke Pferde und gute Milchkühe angeschafft. Leider bin ich leer ausgegangen, aber das Arbeitsleben ist dann etwas einfacher und besser geworden.


Von den Unterirdischen

Rügens knorrige Bäume

Was passiert, wenn man sich auf Rügen mit den Unterirdischen einlässt, berichtet die Sage über den „Falscheid“.

In Lancken, gar nicht weit vom Wald Granitz, wohnte einmal ein Bauer, mit dem Namen Matthes Pagels. Seine Behausung lag nun etwas abseits vom Dorfe, aber dicht am Waldesrande, wo es sehr einsam und still war. Mattes Pagels war nun ein sehr tüchtiger Mann und die Leute hielten ihn für reich. Manch einer munkelte sogar, er sei ein Hexenmeister. Doch wurde auch schon so manch anderer dafürgehalten, der seinen Verdienst und sein Geld auf natürliche Weise erwarb, nämlich mit seiner fleißigen Hände Arbeit. Aber eines Tages bekam der Bauer Pagels Streit mit seinem Nachbarn, weil der ihn beschuldigte, er pflüge ihm an seinem Acker die Seite ab. Das hatte Pagels wirklich getan, doch er wollte es nicht wahrhaben.

Der sonst doch so stille Mann fluchte und schwor, das Ackerstück gehöre ihm in seiner ganzen Breite. Und sogar noch zehn Schritte weiter, und ganz gewiss bis zu der hohen Buche, die oben am Waldesrain stehe. Dem Pagels konnte man nichts anhaben und der Nachbar musste sich damit zufriedengeben. Pagels hatte sich nämlich mit den kleinen schwarzen Unterirdischen eingelassen, die ihm die passenden Papiere verschafft hatten. So hatte Pagels einen falschen Eid geschworen, wodurch nun der Acker sein geworden war.

Mattes Pagels aber hatte schon zu seinen Lebzeiten die Strafe dafür bekommen, denn die kleinen bösen Geister ließen ihm weder Rast noch Ruh. Immer und immer trieb es ihn um Mitternacht aus seinem Bette. Zuerst musste er auf dem Acker herumwandeln und dann auch noch auf die hohe knochige Buche klettern, wo er dann noch zwei volle Stunden aushalten und mächtig frieren sollte.

Zuweilen kann man ihn noch da oben hocken sehen in einem grauen Rock, seine Schlafmütze auf dem Kopfe. Aber gewöhnlich sitzt er wie eine Eule auf dem Baum und schreit ganz kläglich und jammervoll. Kein Mensch kommt dieser hohen Buche gerne zu nahe. Selbst kein Pferd ist auf dem Wege an ihr vorbeizubringen. Vielmehr geht es selbst mit dem besten Reiter durch und läuft querfeldein. So manch alte Leute mögen sich noch heute an das Liedchen von Pagels und seiner hohen Buche erinnern:

„Pagels mit de witte Mütz,
wo koold un hoch is din Sitz!
Up de hoge Bök un up de kruse Eek
Un achter`m hollen Tuun –
Worüm kannst du nicht ruhn?“
„Darüm kann ick nich rasten:
Dat Papier liggt im Kasten,
un mine arme Seel brennt in de lichte Höll“


Über besondere Glocken

Glocken sind von ihrem Klang oder ihrer Größe her immer etwas Besonderes im Bewusstsein der Menschen, so auch auf Rügen. Und hierzu gibt es auch ein paar Geschichten zu berichten.

Die Glocke zu Zarnekow

Auf der Feldmark von Zarnekow bei Lancken stießen einstmals Bauern beim Pflügen auf einen harten Gegenstand. Sie dachten anfangs, es wäre ein Stein, und fingen an, denselben auszugraben. Bald aber merkten sie, dass es eine Glocke war und nun holten sie Vorspann, um dieselbe aus der Erde herauszuziehen. Dies gelang jedoch nicht, obgleich sie zuletzt sechzehn Ochsen vorgespannt hatten. Nun trug es sich zu, dass eine feine Dame herzukam und den Bauern einen seidenen Faden gab. Diesen zogen sie durch den Ring der Glocke und nun konnten sie diese mit Leichtigkeit herausziehen. Wo nun diese Glocke später geblieben ist, weiß bis heute niemand zu berichten.

Die Glocke auf Zudar

Auch auf Zudar haben sie einmal eine Glocke gefunden, die stand eines Morgens in der Brandung des Meeres. Nun hatte diese Glocke in so wunderlichen Buchstaben eine Inschrift, dass nah und fern sie keiner lesen konnte. Als sie die Glocke in die Kirche von Zudar führen wollten, merkten sie bald, dass keine Menschenmacht ausreicht, sie von der Stelle zu bringen. Dann kam ein alter Mann daher, den niemand kannte und von dem man auch nicht wusste, woher er kam. Der sah die Inschrift und las sie mit lauter Stimme vor: „Hebe dich auf, Hosianna!“ Und von Stund an ließ sich die Glocke rühren und führen.

Die Glocke von Lubkow

Im Lubkowschen Moor an der Prora hüteten nachts einst Pferdehirten. Sie hatten sich zum Schlafen hingestreckt und als sie erwachten, lag zu den Füßen eines jeden von ihnen ein Strick. Als sie diesen ergriffen, merkten sie, dass die Stricke in die Erde gingen. Sie zogen und zogen. Es ging auch ganz leicht und es währte auch nicht sehr lange, da sahen sie eine große Glocke aus dem Moorgrund an die Oberfläche herauskommen. Durch diese Erscheinung nun schrie einer der Hirten so vor Verwunderung auf. Woraufhin mit einem Male die Glocken und Stricke verschwanden. Die Stricke und die Glocke sah man nimmer mehr wieder.

Die Glocke von Vilmnitz

In der Vilmnitzer Kirche hängen zwei Glocken. Die größere von beiden, so erzählt man sich, solle einst in der Ostsee getrieben haben und vom Meer an die Küste gespült worden sein. Dort wurde sie dann geborgen und dann in der Vilmnitzer Kirche aufgehängt.

Die Behexung der Gössel

<em>© René Geyer<em>

In einem Dorf auf Rügen wohnte eine alte Frau, die als Dorfhexe galt. Man erzählte sich, sie könne sich in einen Fuchs, einen Hasen oder in einen Wolf verwandeln. Wenn sie das Jungvieh mit ihrem sogenannten bösen Blick ansehe, verdrehe es den Hals und verrecke. Jeder im Dorfe fürchtete sich von der Alten. Einst klopfte sie bei einer Bäuerin an, um Geld zu wechseln. Die Frau fütterte gerade ihre Gössel (Gänseküken) in ihrer Wohnstube, damit die es recht warm hätten. Dralle und quicklebendige Geschöpfe tummelten sich im Gatter. „Oh, wat sünd dat för lütte, nette Gössel!“ rief die alte Hexe, die die Tiere in der Stube erblickte. Kaum hatte sie das ausgesprochen, da begannen die Gössel auch schon, ihre Hälse zu verdrehen, dass ihnen die Schnäbel zum Rücken hin standen. Die Bäuerin aber wusste sich zu helfen. Schnell holte sie eine „Fitz Garn“ und zog sämtliche Gössel hindurch. So rettete sie die meisten Tiere. Aber zwei Gössel starben ihr doch. Für sie war die Hilfe wohl zu spät gekommen.


Gastautor

René Geyer

René Geyer kennt die Inselnatur ganz genau. Der auch als „Kräuter-Geyer“ bekannte Erlebnis- und Naturführer verfasst regelmäßig für das Urlaubermagazin Urlaub à la Rügen eine Kolumne über Kräuter- oder Blumenpflanzen sowie über Sagen der Insel Rügen.

Seit 2004 können sich Gäste und Einheimische bei seinen abwechslungsreichen Touren mit allerhand Wissenswertem die natürlichen Schönheiten dieser Inselregion erklären lassen. Ob bei archäologischen Führungen zu den bekanntesten Großsteingräbern Rügens bei Lancken-Granitz, bei seinen Kräuterführungen in den Zicker Bergen oder bei seinen legendären Sagenwanderungen, René Geyer lässt Euch die Natur Rügens aktiv erleben.

Alle Führungen findet Ihr bei uns im Veranstaltungskalender, in der Rügen-App und unter www.naturgeyer.de

Picture of Eva-Maria

Eva-Maria

Mit ihrem geschulten Rügen-Kennerblick erkundet Eva-Maria gern mit ihrer Familie die ganze Insel und zeigt Euch ihre Lieblingsplätze. Im Südosten der Insel Rügen verbrachte sie ihre Bullerbü-Kindheit und ging dann zum Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaften nach Wien. Vom Land in die Stadt, vom Meer auf den Berg: nach diesem Kontrastprogramm hat sie wieder auf Rügen Fuß gefasst. Was sie mit Rügen verbindet? Heimat, die tägliche Dosis Meer und ein Gespür für die Eigenarten der Rüganer, die trotz kühlem Wesen ein großes Herz für ihre Insel haben.

Regionen & Orte auf Rügen

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