Der gebürtige Binzer Bauingenieur Ulrich Müther (1934 – 2007) zählt zu den bedeutendsten ostdeutschen Baumeistern der modernen Architektur. Markenzeichen seiner Arbeit waren Konstruktionen mit sog. Hyparschalen, doppelt gekrümmten Flächentragwerken aus Stahlbeton.
Elegante Formen aus Stahlbeton
Schon während seines Studiums in Berlin interessierte sich Müther für innovative Baumethoden.
Dabei faszinierte ihn insbesondere der Schalenbau, da die dünnen Betonschalen nicht nur große Flächen überbrücken konnten, sondern auch ein elegantes, modernes Formenspiel ermöglichen.
Mit dieser sehr stabilen und tragfähigen Bauweise erschuf er über 70 Bauwerke, deren Gestaltungsformen zum Teil recht eigenwillig und futuristisch sind.
Ein Großteil seiner Konstruktionen steht bis heute entlang der Ostseeküste. Doch auch in Magdeburg und Potsdam sowie in Kuwait, Havanna, Tripolis, Helsinki und sogar im damals noch westdeutschen Wolfsburg finden sich Müther-Bauten.
Müther-Bauten auf der Insel Rügen
Auf Rügen finden sich unterschiedlichste (Nutz-) Bauten aus der Schöpfung des Binzer Bauingenieurs.
Hyparschalen im Ostseebad Binz
In seinem Heimatort Binz erschuf Müther mehrere Hyparschalen-Konstruktionen, von denen heute allerdings nicht mehr alle existieren. Die bekannteste davon ist die Strandwache II, der futuristische Rettungsturm, der heute als Veranstaltungsort und Außenstelle des Standesamtes fungiert. Die baugleiche Strandwache I wurde in den 90er-Jahren abgerissen.
Ebenfalls von Müther stammen die Buswartehalle am Kreisel Proraer Chaussee und das Restaurant „Gryf“ im heutigen IFA-Hotel.
Müther-Bauten im Ostseebad Baabe
Im Ostseebad Baabe errichtete er 1966 in erster Reihe zum Strand die Gaststätte „Inselparadies”. Die bautechnische Raffinesse ist hier das als „Pilzschale” gestaltete Dach mit trichterförmig nach unten verlaufender Säule ins Erdgeschoss (inklusive Wasserablauf). Ebenfalls der Buchkiosk (1971) am Kurpark, der heute als Schmuckladen genutzt wird, stammt von ihm.
Die Walflosse von Sassnitz
Müthers Formenspiel findet sich auch auf dem Kurplatz in der Hafenstadt Sassnitz wieder. Hier erschuf er 1987 den Musikpavillon „Kurmuschel” nach einem Entwurf von Dietmar Kuntzsch. Mit der Ostsee im Hintergrund ähnelt die Konstruktion einer aus dem Wasser ragenden Walflosse.
Restaurant „Ostseeperle” in Glowe
Ein weiterer markanter Müther-Bau ist das Restaurant „Ostseeperle” im Seebad Glowe. Die angekippte Hyparschale mit großer Fensterfront zur Ostsee ragt direkt in den Himmel und erinnert an eine aufgeklappte Muschelschale.
Weitere Schalenbauten auf Rügen
Auch die Schwimmbadüberdachungen des ehemaligen „Erholungsheims des ZK” (1977, heute Cliff-Hotel Rügen) und des Rügen Hotels in Sassnitz (1978) stammen vom Binzer Bauingenieur.
In Borchtitz/Gemeinde Lietzow gibt es noch vier Finnhütten (1972) und den Speisesaal im ehemaligen Pionierlager “Ernst Thälmann” (1965). Letzterer ist die älteste noch erhaltene Hyparschalen-Konstruktion, wurde aber 2002 zu Eigentumswohnungen umgewandelt.
Die Buswartehalle in Buschvitz (1974) sowie die Sporthalle in Gingst (1985) tragen ebenfalls Müthers Handschrift.
Auch für eine geplante Schwimmhalle in Bergen reichte Müther (ein Gemeinschaftsentwurf von Müther & Neumann) einen Entwurf ein, der sich im Depot des Stadtmuseums Bergen zu sehen ist.